Chronik eines Eklats
Gestern, am 20. Oktober, wurde der ZDF-aspekte-Literaturpreis an Sven Pfizenmaier verliehen. Morgen, am 22. Oktober, endet das diesjährige Harbour Front Literaturfestival. Grund genug, auf den Eklat zurückzublicken, den Pfizenmaier mit der Zurückweisung seiner Nominierung für den Kühne-Preis auslöste. Was geschah – und was bleibt? Eine Chronik und Presseschau.
25./26. Juli 2022:
Acht Autor:innen (bzw. ihre Verlage) erhalten eine E‑Mail von der Redaktion Untiefen. Betreff: Klaus-Michael Kühne. In dieser E‑Mail schildern wir den Nominierten für den diesjährigen Klaus-Michael Kühne-Preis, der seit 2010 auf dem Harbour Front Literaturfestival vergeben wird, die Hintergründe des Geld- und Namensgebers Kühne: die tiefe Verstrickung des Unternehmens Kühne+Nagel, das damals von Klaus-Michael Kühnes Vater geleitet wurde, in den Nationalsozialismus sowie die beharrliche Weigerung Kühnes, Verantwortung für diese Geschichte zu übernehmen und sich um Aufarbeitung zu bemühen (siehe Kühne+Nagel, Logistiker des NS-Staats). Wir fragen die Autor:innen, welche Möglichkeiten des Umgangs mit dieser Situation sie für sich sehen, und bitten um Antworten – sei’s off the record, sei’s als zur Veröffentlichung freigegebenes Statement.
18. August 2022:
Sven Pfizenmaier, mit seinem im März erschienenen Roman Draußen feiern die Leute für den Preis nominiert, zieht aus den Informationen über die Hintergründe Kühnes seine Konsequenz: Er teilt dem Literaturfestival intern und mit einer kurzen schriftlichen Erklärung mit, dass er seine Teilnahme am Festival zurückziehe und auf die Nominierung verzichte.1Der Zufall will es, dass am selben Tag im Neuen Deutschland ein Beitrag Berthold Seligers zur Kritik an (vermeintlich) Putin-nahen russischen Künstler:innen bzw. Sponsoren bei den Salzburger Festspielen erscheint. Seliger weist in seinem Beitrag auch auf die NS-Verbrechensgeschichte von Kühne+Nagel hin und fordert: »Wer sich über das Sponsoring russischer Konzerne echauffiert, sollte auch den Mut haben, nämliches bei Konzernen wie Audi, der Deutschen Bank, Siemens oder der Kühne-Stiftung anzuklagen.«
24. August 2022:
Das Festival reagiert auf die Absage, indem es in der denkbar knappsten Form via Twitter und Presseaussendung ein »Programm-Update« verkündet:
»Nach der Absage von Sven Pfizenmaier wurde ein sogenanntes Nachrück-Verfahren eingeleitet, so dass Przemek Zybowski nun seinen Debütroman ›Das pinke Hochzeitsbuch‹ beim 2. #Debütantensalon am 10. September vorstellen wird.«
Kein Wort des Bedauerns über Pfizenmaiers Rückzug, kein Wort dazu, warum Pfizenmaier absagte. Und auch kein:e Pressevertreter:in scheint sich über die kommentarlose Absage zu wundern und sich für ihre Gründe zu interessieren. Auf der Festivalwebsite wird Pfizenmaiers Name kommentarlos ersetzt.
29. August 2022:
Die Branchen-Website buchmarkt.de veröffentlicht die Erklärung, mit der Pfizenmaier seine Absage begründet. In ihr heißt es unter anderem:
»Da sich Klaus-Michael Kühne aktiv dagegen wehrt, die NS-Historie seines Unternehmens aufzuarbeiten, möchte ich meinen Text nicht in einen Wettbewerb um sein Geld und eine Auszeichnung mit seinem Namen stellen.«
Doch auch auf diese Erklärung folgt zunächst keine Reaktion. Die Strategie des Festivals, die Absage unter den Teppich zu kehren und erst gar keinen Eklat aufkommen zu lassen, scheint zunächst aufzugehen.
1. September 2022:
Das Kalkül des Festivals scheitert mit einem Knall: Die Mopo titelt Kühne-Preis: Eklat um NS-Vergangenheit des Hamburger Unternehmens und veröffentlicht einen großen doppelseitigen Beitrag. Aus Pfizenmaiers Absage wird so tatsächlich ein Eklat. Am Nachmittag desselben Tags erscheint ein Beitrag in der taz. Während die Kühne-Stiftung gegenüber der Mopo noch keinen Kommentar abgeben wollte, demonstriert sie nun gegenüber taz-Redakteur Jean-Philipp Baeck eine stupende Kombination aus gekränkter Eitelkeit, Geschichtsvergessenheit und Aggressivität:
»Die Kühne-Stiftung fühle sich ›in dieser Angelegenheit im höchsten Grade ungerecht behandelt‹. Und: ›Sie hat mit Vorgängen, die ca. 80 Jahre zurückliegen, nichts zu tun und wird die traditionelle Verleihung des Klaus-Michael Kühne-Preises jetzt überdenken.‹ «
Am selben Tag veröffentlicht Untiefen den Beitrag Kühne+Nagel, Logistiker des NS-Staats, der fordert, die NS-Geschichte von Kühne+Nagel auch in Hamburg zum Gegenstand erinnerungspolitischer Arbeit zu machen.
7. September:
Das Hamburger Abendblatt greift die Entwicklung auf. Abendblatt-Redakteur Thomas Andre zitiert nun auch das Jury-Mitglied Stephan Lohr sowie – ohne Nennung eines Namens – die Hamburger Kulturbehörde; die Behörde würdigt die Kritik an Kühne als »Beitrag zur Aufarbeitung unserer Geschichte«, lässt aber auch ihre Abhängigkeit von seiner Stiftung durchscheinen:
»[…] Die Kühne-Stiftung leistet seit vielen Jahren insbesondere für die Kultur und Wissenschaft gute und wichtige Unterstützung, die nicht ohne Weiteres durch die öffentliche Hand ersetzt werden kann.«
In einem Kommentar, der den Artikel flankiert, erklärt Abendblatt-Redakteur Andre im Einklang mit der Kulturbehörde, dass Kritik an Kühne zwar »erlaubt« sei, aber es »mehr als schade« wäre, Kühne als großzügigen Kultursponsor zu vergraulen.
Auch Franziska Gänsler erklärt nun ihren Rückzug vom Festival. Anders als Pfizenmaier, dessen Roman im selben Verlag erschienen ist wie ihr Debüt Ewig Sommer, hatte sie sich zunächst gegen einen Rücktritt entschieden. In einer Stellungnahme, die auf buchmarkt.de veröffentlicht und in der Presse vielfach zitiert wird, erklärt sie, dass der Umgang des Festivals und der Kühne-Stiftung mit Pfizenmaiers Absage sie zu ihrem Schritt bewogen haben.
Die Festivalleitung veröffentlicht eine (inzwischen nur noch via Internet Archive auffindbare) Stellungnahme zu der Debatte rund um die Absagen von Pfizenmaier und Gänsler. Sie bekundet:
»Wir finden diese Absagen sehr bedauerlich. Für die Beweggründe der Betreffenden haben wir Verständnis – auch wir sehen Diskussionsbedarf in dieser Angelegenheit.«
Dass der »Diskussionsbedarf« der Festivalleitung nicht so dringend ist, offenbart sich jedoch in der nachgeschobenen Aussage: »Wir hoffen, dass es trotz der gegenwärtigen Diskussion gelingt, die Literatur für die Zeit des Festivals in den Mittelpunkt zu rücken.« Zeitgleich mit der Stellungnahme stellt das Festival auch die beiden Stellungnahmen von Gänsler und Pfizenmaier auf seine Homepage.
Am selben Tag erscheint auf Zeit Online ein Beitrag von Christoph Twickel. In ihm kommen auch weitere nominierte Schriftsteller:innen zu Wort: Domenico Müllensiefen und Annika Büsing. Beide heben den strukturellen Charakter des Problems hervor, das weit über den Fall Kühne hinausweise, und regen eine breite Debatte über die Mechanismen der (privaten) Kulturförderung an. In den Sozialen Medien zieht die Artikelüberschrift »Nazizeit? – Lange her!«, die sich auf die Stellungnahme der Kühne-Stiftung bezieht, rechte Kommentator:innen an. Das entsprechende Posting auf der Facebook-Seite der Zeit erhält 570 Kommentare, größtenteils von rechts: Den Kühne-Kritiker:innen werden Neid und Moralismus vorgeworfen, die Verbrechen von K+N werden relativiert. Nahezu alle Kommentare schließen sich der Forderung der Kühne-Stiftung nach einem Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit an.
Domenico Müllensiefen veröffentlicht die Stellungnahme, um die er von der Zeit gebeten worden war, in voller Länge auf seinem Blog.
Die Redaktion Untiefen veröffentlicht den Beitrag »Kühne-Preis: Kulturförderung als Schweigegeld?«. Der Beitrag rekapituliert die bisherige Debatte und zitiert die der Redaktion zugesandten Stellungnahmen von Domenico Müllensiefen (die sich zu großen Teilen mit der Stellungnahme gegenüber der Zeit deckt) und von Daniel Schulz. Junge Autor*innen seien »auf die wenigen Förderungen angewiesen […], die es noch gibt«, schreibt Schulz, und sieht daher eigentlich andere Angehörige des Kulturbetriebs in der Pflicht, gegenüber problematischen Förderern wie Kühne Stellung zu beziehen.
8. September 2022:
Die dpa veröffentlicht eine Meldung zum Eklat und zu Gänslers Rücktritt, die in zahlreichen (Online-)Medien aufgegriffen wird. Darin wird auch die Kühne-Stiftung zitiert, die – auf etwas weniger brüske Weise – ihre Stellungnahme vom 1. September bekräftigt:
»Die Kühne-Stiftung stellte klar, dass ihre Förderleistungen keinen Bezug zu einer Zeit haben, ›die weit zurück liegt und zu der ganz andere Verhältnisse herrschten‹. Das teilte sie auf Nachfrage am Donnerstag mit. ›Hierbei Zusammenhänge zu konstruieren, würden wir als eine bewusste Schädigung unserer rein philanthropischen Unterstützung des Harbour Front Literaturfestivals betrachten.‹ «
Mehrere Medien, darunter Mopo und Abendblatt, berichten, dass sich das Festival von der Kühne-Stiftung als Sponsor trennt. Die Festivalleitung bekundet, dass dieser Schritt jedoch nichts mit dem Eklat zu tun habe, sondern bereits länger geplant gewesen sei. Im Mopo-Artikel heißt es dazu:
»Auf MOPO-Anfrage erklärte Heinz Lehmann aus dem Leitungsteam: ›Dieser Schritt hat überhaupt nichts mit dem aktuellen Wirbel um die Vergangenheit der Familie Kühne zu tun, sondern war seit Monaten geplant.‹ Die Kühne-Stiftung war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.«
Am Abend des 8. September findet die Eröffnung des Festivals in der Elbphilharmonie statt. Wie das Abendblatt am 10. September berichtet, kommt der Eklat hier von Beginn an zur Sprache: Der Generalintendant der Elbphilharmonie verharmlost die Kritik an Kühne zu einem »Skandälchen« unter anderen, das zudem ja den Kartenverkäufen zuträglich sei. Die Leiterin des Festivals Petra Bamberger äußert sich unverbindlich (»Wir danken allen unseren Förderern, aber wir sind vor allem unseren Autorinnen und Autoren verpflichtet«). Der Manager und Kühne-Vertraute Michael Behrendt, Mitglied im Stiftungsrat der Kühne-Stiftung, hingegen zeigt sich »betroffen« – nicht aber von den verbrecherischen Geschäften Kühne+Nagels oder vom Schicksal des in Auschwitz ermordeten Ex-Teilhabers Adolf Maass, sondern von den »kritischen Stimmen«. Schließlich, so Behrendt, sei Klaus-Michael Kühne bei Kriegsende erst sieben Jahre alt gewesen.
14. September:
Die Festivalleitung teilt mit: Der Klaus-Michael Kühne-Preis heißt ab sofort »Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals« – und er wird nicht in Kühnes Luxushotel The Fontenay an der Außenalster, sondern im Nachtasyl des Thalia Theaters überreicht werden. Die Änderungen entspringen jedoch keiner souveränen Entscheidung des Festivals, sondern geschehen auf Anordnung der schmollenden Kühne-Stiftung. In der Mitteilung der Festivalleitung, die unter anderem von der Mopo zitiert wird, heißt es:
»Nach der öffentlichen Debatte um die Absage der Teilnahme zweier Autor:innen am Debütantensalon 2022 hat die Kühne-Stiftung das Harbour Front Literaturfestival am 12. September 2022 dazu aufgefordert, den Namen des ›Klaus-Michael Kühne-Preises‹ und den Ort der Preisverleihung zu ändern.«
Die Zeit kommentiert die Umbenennung kritisch: »Sie dient bloß dazu, eine Debatte zu vermeiden, die überfällig ist. Das ist feige.« Von der im Beitrag zitierten Sprecherin der Kühne-Stiftung lässt sich etwas über die Gründe für die Umbenennung erfahren: »Format und Benennung des mit dem Festival verbundenen Preises sollen von Diskussionen frei sein.« Das also versteht der Mäzen unter Freiheit der Kunst – sie soll frei sein von Kritik und Diskussion.
15. September:
Über die Umbenennung des Preises wird in einer dpa-Meldung berichtet, die vielfach übernommen wird.
Das »Hamburger Tüddelband«, die im Rahmen des Harbour Front Festivals verliehene Auszeichnung für herausragende Kinderbuchkünstler:innen, wird in der Hauptkirche St. Katharinen an Axel Scheffler und Julia Donaldson verliehen. Schirmherrin dieses Preises ist Christine Kühne, Klaus-Michael Kühnes Ehefrau. Anders als in vergangenen Jahren ist sie aber nicht anwesend. Das Abendblatt schreibt:
»Ob es das ›Hamburger Tüddelband‹ im kommenden Jahr noch geben wird […], ließ die Festivalleitung auf Nachfrage offen.«
16. September:
Die Jury gibt den Preisträger des nun umbenannten Preises bekannt: Behzad Karim-Khani mit seinem Roman Hund, Wolf, Schakal. In ihrer Begründung geht die Jury ausführlich auf die vorhergegangene Debatte ein:
»In diesem Jahr haben zwei der acht von der Vorjury ausgewählten Nominierten ihre Teilnahme zurückgezogen. Wir hätten gerne auch über ihre Bücher diskutiert. Aber wir möchten Sven Pfizenmaier und Franziska Gänsler für ihre Entscheidung unseren Respekt aussprechen. Und wir schließen uns ihren Forderungen ausdrücklich an: Wir würden uns wünschen, dass Kühne + Nagel sein unternehmerisches Handeln in der NS-Zeit durch Historiker*innen unabhängig untersuchen lassen und die Forschungsergebnisse öffentlich machen würde.«
18. September:
Der Debütpreis wird im Nachtasyl (Thalia-Theater) verliehen. Am 19. September veröffentlich die dpa zur Preisvergabe eine Meldung, die auch auf die Stellungnahme der Jury zum Eklat eingeht und von vielen Medien übernommen wird.
20. September:
Der Literaturwissenschaftler und Kulturjournalist Johannes Franzen, der erst im Februar im Merkur über die Heteronomie der Kunst angesichts der Abhängigkeit von ihren Geldgeber:innen schrieb, greift die Debatte in seinem Newsletter Kultur und Kontroverse auf. Er kommentiert:
»Was an der Geschichte besonders interessant erscheint, ist zunächst, wie ein Milliardär einen Preis von läppischen 10.000 Euro stiften kann und dafür mit viel kulturellem Kapital belohnt wird, wie dann aber dieses kulturelle Kapital ihm plötzlich in der Hand explodieren kann. Man muss davon ausgehen, dass über die schreckliche Vergangenheit des Unternehmens Kühne + Nagel aktuell weniger stark berichtet werden würde, wenn nicht das Prestige des Literarischen auf dem Spiel stehen würde.«
27. September:
Das Magazin Oper! veröffentlicht ein Interview mit Klaus-Michael Kühne (online nur auszugsweise verfügbar), über das kurz darauf ein Artikel im Abendblatt erscheint. Kühne wirbt darin für seinen Vorschlag, ein neues Opernhaus in Hamburg zu errichten, und zeigt sich – vom Interviewer freundlich sekundiert – verständnislos über den Undank für seinen »gut gemeinten Ratschlag«.
4. Oktober:
Im Hamburg-Teil der Zeit greift Florian Zinnecker die Debatte noch einmal auf. Er betont die enge Verzahnung des Harbour Front Literaturfestivals mit der Kühne-Stiftung und fordert, dass die Diskussionen, die sich um den Kühne-Preis entwickelt haben, weitergeführt werden müssten:
»Die große Frage aber, die durch die Eruptionen erst so richtig freigelegt wurde, ist noch offen – und sie ist um ein Vielfaches zu groß, als dass das Festival sie allein abräumen könnte. Die Kühne-Stiftung fördert die Staatsoper und die Philharmoniker; ohne Kühnes Zuwendungen wäre Kent Nagano als Generalmusikdirektor wohl weder nach Hamburg zu locken noch hier zu halten gewesen. Kühne gab 4 Millionen Euro für die Elbphilharmonie, die VIP-Lounge des Hauses ist nach ihm benannt. Das Internationale Musikfest fördert er mit einer halben Million jährlich. Und für den HSV (Fußball ist auch Kultur) wendete Kühne schon mehr als 100 Millionen Euro auf. All diese Institutionen begleiten die Debatte bislang mit vehementem Schweigen. Es wäre billig, von ihnen klare Kante zu fordern, wer vergrätzt schon gern einen Hauptsponsor. Aber zu reden wäre darüber schon. Denn sonst beantwortet sich die Frage, ob das Störgefühl groß genug ist für eine Neubewertung der Lage, von allein – mit Nein. Alles egal. Hauptsache, er zahlt.«
20. Oktober:
Auf der Frankfurter Buchmesse wird Sven Pfizenmaier der mit 10.000€ dotierte ZDF-aspekte-Literaturpreis für sein Romandebüt verliehen.
5. November:
Im Hamburger Abendblatt erscheint auf einer Doppelseite ein langes Interview mit Klaus-Michael Kühne. Ganz kurz kommt der Interviewer – der stellvertretende Chefredakteur Matthias Iken – auch auf die NS-Vergangenheit von K+N und den Eklat vom September zu sprechen und lässt Kühne dabei unwidersprochen seine Schlussstrichforderung wiederholen:
»Ihr Literaturpreis heißt nicht mehr Klaus-Michael Kühne-Preis, junge Literaten verzichteten auf eine Nominierung, weil Sie die NS-Geschichte Ihres Unternehmens intensiver aufarbeiten sollen …
Das hat mich persönlich getroffen. Wir wollten uns zwar aus dem Harbourfront-Literaturfestival zurückziehen, das wir maßgeblich gefördert hatten, den Nachwuchspreis aber weiter finanzieren. Das machen wir jetzt nicht mehr. Den Organisatoren habe ich verübelt, dass sie diese einseitigen Vorwürfe so übernommen und das Thema einseitig betrachtet haben.
Sie könnten ja eine Untersuchung durch Historiker beauftragen …
Die Archive sind zerstört, die Fakten sind bekannt. Es wird vieles hineininterpretiert. Warum sollten wir die alten Wunden nach so langer Zeit wieder aufreißen? Das hätte man viel früher machen müssen. 2015 kam das Thema zum 125. Jubiläum zum ersten Mal hoch, das beim 100. Geburtstag keinen interessiert hatte. Wir haben die unschönen Dinge in unserer Jubiläumsschrift dargestellt und unser Bedauern darüber mehrmals öffentlich geäußert.«
- 1Der Zufall will es, dass am selben Tag im Neuen Deutschland ein Beitrag Berthold Seligers zur Kritik an (vermeintlich) Putin-nahen russischen Künstler:innen bzw. Sponsoren bei den Salzburger Festspielen erscheint. Seliger weist in seinem Beitrag auch auf die NS-Verbrechensgeschichte von Kühne+Nagel hin und fordert: »Wer sich über das Sponsoring russischer Konzerne echauffiert, sollte auch den Mut haben, nämliches bei Konzernen wie Audi, der Deutschen Bank, Siemens oder der Kühne-Stiftung anzuklagen.«