»Arisieren« und Ausbeuten

»Arisieren« und Ausbeuten 

Ham­bur­ger Han­dels­fir­men betei­lig­ten sich wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs inten­siv an der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Besat­zungs­herr­schaft im öst­li­chen Europa. Die Geschichte die­ser Zusam­men­ar­beit spielt in der loka­len Erin­ne­rungs­kul­tur prak­tisch keine Rolle. Unser Autor leuch­tet die Hin­ter­gründe des soge­nann­ten »Ost­ein­sat­zes« der Ham­bur­ger Wirt­schaft aus.  

Der »Ehren­hof« zwi­schen Han­dels­kam­mer und Rat­haus. Foto: Klaus Bär­win­kel / Wiki­me­dia Com­mons, Lizenz: CC BY 4.0

In Ham­burg hat der Gemein­platz, dem­nach Geld die Welt regiere, eine städ­te­bau­li­che Ent­spre­chung: An das impo­sante Ham­bur­ger Rat­haus schließt ein wei­te­res reprä­sen­ta­ti­ves Bau­werk unmit­tel­bar an: Die Börse, Sitz der Ham­bur­ger Han­dels­kam­mer, ist durch einen gemein­sa­men »Ehren­hof« mit den Räu­men der Ham­bur­gi­schen Bür­ger­schaft ver­bun­den. Dass Archi­tek­tur den Zusam­men­hang von poli­ti­scher Herr­schaft und wirt­schaft­li­cher Macht der­art ver­sinn­bild­licht, scheint indes eine han­sea­ti­sche Beson­der­heit zu sein: In Bre­men resi­diert die Han­dels­kam­mer im »Haus Schüt­ting« – mit Blick auf das Rathausgebäude. 

Wie diese Bau­lich­kei­ten erah­nen las­sen, bil­de­ten die han­se­städ­ti­schen Kauf­mann­schaf­ten bis weit ins 20. Jahr­hun­dert hin­ein die unan­ge­foch­te­nen gesell­schaft­li­chen Eli­ten ihre Städte. Dass ins­be­son­dere Ham­burg dabei ein kolo­nia­les Erbe mit sich schleppt, gewinnt lang­sam an erin­ne­rungs­kul­tu­rel­ler Bedeu­tung. So betei­ligte sich eine ganze Reihe von Ham­bur­ger Kauf­leu­ten maß­geb­lich am Erwerb deut­scher Kolo­nien in Afrika. Weni­ger bekannt ist, dass die hie­sige Kauf­mann­schaft – selbst­er­klärte »ehr­bare Kauf­leute« – tief in natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ver­bre­chen­s­kom­plexe invol­viert waren. Dabei geht es nicht nur um die Teil­habe Ham­bur­ger Unter­neh­mer an der Ver­drän­gung und Ent­eig­nung jüdi­scher Gewer­be­trei­ben­der, der soge­nann­ten »Ari­sie­rung« . Zahl­rei­che his­to­ri­sche Quel­len (und nach wie vor nur wenige For­schungs­ar­bei­ten1Götz Aly, Susanne Heim, Vor­den­ker der »Ver­nich­tung«. Ausch­witz und die deut­schen Pläne für eine neue euro­päi­sche Ord­nung, über­ar­bei­tete Neu­auf­lage, Frank­furt am Main 2013 (zuerst Ham­burg 1991), 216−221;
Frank Bajohr, »Ari­sie­rung« in Ham­burg. Die Ver­drän­gung der jüdi­schen Unter­neh­mer 1933–1945, Ham­burg 1997, 325−331;
Karl Heinz Roth, Öko­no­mie und poli­ti­sche Macht. Die »Firma Ham­burg« 1930–1945, in: Ebbing­haus, Angelika/Linne, Kars­ten (Hg.), Kein abge­schlos­se­nes Kapi­tel. Ham­burg im »Drit­ten Reich«, Ham­burg 1997, 15−176;
Kars­ten Linne, Deut­sche Afri­ka­fir­men im »Ost­ein­satz«, in: 1999 16 (2001), H. 1, 49–90.
) zei­gen zudem, dass han­se­städ­ti­sche Fir­men wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs im besetz­ten Polen und den besetz­ten Tei­len der Sowjet­union aktiv waren.

Wieso betätigten sich hansestädtische Unternehmen im besetzten Polen?

Als die Wehr­macht am 1. Sep­tem­ber 1939 Polen über­fiel, erklär­ten Frank­reich und Groß­bri­tan­nien Deutsch­land den Krieg. Die Bri­ten errich­te­ten sofort eine See­blo­ckade gegen das Deut­sche Reich, die die Wirt­schaft Ham­burgs und Bre­mens von ihren über­see­ischen Betä­ti­gungs­fel­dern abschnitt. Die Han­dels­kam­mern und ihre Mit­glieds­fir­men such­ten nun hän­de­rin­gend nach alter­na­ti­ven Geschäfts­mög­lich­kei­ten inner­halb Euro­pas. Die Ham­bur­ger Kauf­mann­schaft hatte bereits in den Vor­jah­ren ein dich­tes Lob­by­netz­werk in die Insti­tu­tio­nen des NS-Staats ein­ge­floch­ten und koope­rierte eng mit dem ham­bur­gi­schen NSDAP-Gauleiter Karl Kauf­mann und des­sen Appa­rat. Die Ham­bur­ger Außen­han­dels­kauf­leute lit­ten näm­lich seit 1933 unter der NS-Rüstungspolitik, die der Indus­trie zwar nutzte, den Außen­han­del aber mas­siv ein­schränkte. Auf der Suche nach Kom­pen­sa­tion ban­den sich die Kauf­mann­seli­ten an den natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Herr­schafts­ap­pa­rat. Die­ser eröff­nete den Kauf­leu­ten wie­derum die Per­spek­tive, an der »Ari­sie­rung« sowie der ter­ri­to­ria­len Expan­si­ons­po­li­tik NS-Deutschlands auf pro­fi­ta­ble Weise teil­zu­ha­ben. So hat­ten die Ham­bur­ger NSDAP-Führung und die Han­dels­kam­mer nach dem »Anschluss« Öster­reichs 1938 dar­auf hin­ge­ar­bei­tet, dass ham­bur­gi­sche Han­dels­fir­men und Spe­di­tio­nen von der »Ari­sie­rung« in der Han­dels­me­tro­pole Wien profitierten.

Die Erobe­rung Polens nahm han­sea­ti­schen Unter­neh­mern also ihr tra­di­tio­nel­les Arbeits­feld, eröff­nete jedoch gleich­zei­tig neue Fel­der, die Aus­gleich zu ver­spre­chen schie­nen. In den zen­tral­pol­ni­schen Gebie­ten, die die Deut­schen als »Gene­ral­gou­ver­ne­ment« (GG) unter­war­fen, ergab sich im Früh­jahr 1940 eine wirt­schaft­li­che Koope­ra­tion mit dem NS-Besatzungsapparat. Und zwar beschloss die Regie­rung des GG in Kra­kau, han­se­städ­ti­sche Han­dels­fir­men für eine Tätig­keit im besetz­ten Gebiet her­an­zu­zie­hen. Um die pol­ni­sche Wirt­schaft für deut­sche Zwe­cke zu mobi­li­sie­ren, soll­ten die Kauf­leute ein neues Han­dels­sys­tem auf­bauen. Der bis­he­rige pol­ni­sche Han­del galt den Natio­nal­so­zia­lis­ten näm­lich als »ver­ju­det«, denn er wurde bis­lang weit­ge­hend von jüdi­schen Kauf­leu­ten getra­gen. Diese woll­ten die Besat­zer nun verdrängen.

Die Regie­rung des Gene­ral­gou­ver­ne­ments – gute Ver­bin­dun­gen nach Ham­burg. Foto: Naro­dowe Archi­wum Cyfrowe Nr. 2–2817

For­ciert durch das han­sea­ti­sche Lob­by­netz­werk und die Han­dels­kam­mern eröff­nete 1940 einige deut­sche Han­dels­fir­men Filia­len im GG, die meis­ten stamm­ten aus Ham­burg und Bre­men. Als das Gebiet nach dem Angriff auf die Sowjet­union 1941 ver­grö­ßert wurde, soll­ten wei­tere fol­gen. Anhand von Archiv­quel­len las­sen sich ins­ge­samt 51 ham­bur­gi­sche Unter­neh­men benen­nen, die in die­sem Teil Polens tätig wur­den. Elf wei­tere Fir­men stamm­ten aus Bre­men. Die Mehr­heit von ihnen arbei­tete unter stren­gen behörd­li­chen Vor­ga­ben als soge­nannte Kreis­groß­han­dels­fir­men, die in den ein­zel­nen Land­krei­sen des GG Nie­der­las­sun­gen eröff­ne­ten, die die NS-Behörden mit Mono­po­len aus­stat­te­ten. Viele der Fir­men war bis 1939 in Kolo­nien tätig gewe­sen. Es befan­den sich dar­un­ter renom­mierte Über­see­häu­ser mit lan­ger Tra­di­tion, zum Bei­spiel C. Woer­mann, G. L. Gai­ser oder Arnold Otto Meyer.

Judenverfolgung und Ausbeutung: Der »Osteinsatz« hanseatischer Kaufleute

Die Kreis­groß­han­dels­fir­men hat­ten dabei eine Dop­pel­auf­gabe. Die erste Auf­gabe bestand darin, mit ihrem so bezeich­ne­ten »Ost­ein­satz« die wirt­schaft­li­che Exis­tenz­ver­nich­tung der jüdi­schen Bevöl­ke­rung zu unter­stüt­zen, die die NS-Besatzer schnellst­mög­lich durch­füh­ren woll­ten. Die Expro­pria­tion der Jüd:innen hatte anfangs zu schwe­ren Stö­run­gen der Wirt­schaft geführt, da mit ihr der Han­del zusam­men­ge­bro­chen war. Indem die Ham­bur­ger und Bre­mer die öko­no­mi­sche Rolle der jüdi­schen Gewer­be­trei­ben­den über­nah­men, konn­ten uner­wünschte Begleit­erschei­nun­gen der »Ari­sie­rung« gemin­dert wer­den. Die Han­se­städ­ter pro­fi­tier­ten somit von der Juden­ver­fol­gung, indem sie an deren wirt­schaft­li­che Stelle tra­ten und deren Waren­be­stände teil­weise über­eig­net bekamen.

Füh­ren­der Kopf die­ser Maß­nah­men war der Ham­bur­ger Öko­nom und Wirt­schafts­funk­tio­när Wal­ter Emme­rich, der eng mit der Han­dels­kam­mer sowie der Ham­bur­ger NSDAP ver­bun­den war und seit Juni 1940 die Wirt­schafts­ab­tei­lung der Kra­kauer Besat­zungs­re­gie­rung lei­tete. Er kon­zi­pierte die Ent­eig­nung der jüdi­schen Gewer­be­trei­ben­den als »ras­si­sche Neu­ord­nung« der pol­ni­schen Wirt­schaft. In die­ser soll­ten die han­sea­ti­schen Groß­händ­ler eine Ober­schicht bil­den, die über eine nicht-jüdische pol­ni­sche Mit­tel­schicht herrschte. Als Unter­schicht blie­ben christ­li­che pol­ni­sche Arbei­ter und Bau­ern, denn die jüdi­sche Bevöl­ke­rung sollte voll­stän­dig ver­schwin­den. In der Tat über­gab die NS-Administration die Posi­tio­nen im Ein­zel­han­del, die durch die Ent­eig­nung der Juden frei wur­den, an nicht-jüdische Polen, die damit eben­falls von der anti­se­mi­ti­schen Poli­tik pro­fi­tier­ten. Die ein­hei­mi­schen Klein­kauf­leute waren dabei den han­sea­ti­schen Groß­han­dels­fir­men unter­ge­ord­net. Emme­rich und ins­be­son­dere die Kauf­leute mit Erfah­run­gen in Afrika betrach­te­ten das besetzte Polen und seine Bevöl­ke­rung dabei durch eine kolo­niale Brille. So schrieb etwa der Inha­ber einer Firma, die bis 1939 in afri­ka­ni­schen Ter­ri­to­rien tätig gewe­sen war, in einem Tätig­keits­be­richt von 1944, den das Bre­mer Staats­ar­chiv ver­wahrt: »Einen Begriff vom Wert der Zeit hat der pol­ni­sche Bauer und Klein­händ­ler – auch der Arbei­ter – nicht, und die ganze Pri­mi­ti­vi­tät des Han­dels, der Umge­bung und der Men­schen erin­nerte uns manch­mal stark an Afrika.« 

Der zweite Teil jener Dop­pel­auf­gabe der Fir­men, die ihre Betriebe teil­weise mit kolo­ni­al­wirt­schaft­li­chen »Fak­toreien« ver­gli­chen, bestand darin, die NS-Besatzer bei der Aus­beu­tung der pol­ni­schen Land­wirt­schaft zu unter­stüt­zen. Die Kra­kauer Admi­nis­tra­tion zwang die pol­ni­sche Land­be­völ­ke­rung mit bru­ta­ler Gewalt, ihre Feld­früchte und ihr Vieh an den deut­schen Wirt­schafts­ap­pa­rat zu ver­kau­fen – zu nied­ri­gen, behörd­lich fest­ge­leg­ten Prei­sen. Die Land­wirte schlu­gen ihre Pro­dukte jedoch lie­ber auf dem für sie viel ren­ta­ble­ren Schwarz­markt los, der für die hun­gernde Bevöl­ke­rung über­le­bens­wich­tig war. Um die­sen ille­ga­len Han­del zu unter­bin­den, schu­fen die Besat­zer zusätz­li­che posi­tive Ablie­fe­rungs­an­reize in Form soge­nann­ter »Prä­mi­en­wa­ren«. Bäuer:innen, die ihre Pro­dukte ablie­fer­ten, erhiel­ten Bezugs­scheine mit denen sie die »Prä­mien« erwer­ben konn­ten, die die han­se­städ­ti­schen Kreis­groß­han­dels­fir­men in den Han­del ein­speis­ten. Das waren haupt­säch­lich Tex­ti­lien und andere indus­tri­ell her­ge­stellte Kon­sum­pro­dukte. Mit dem Ver­trieb der »Prä­mien« über­nah­men diese Fir­men eine tra­gende Rolle im NS-Ausbeutungsapparat. Das Prä­mi­en­sys­tem ent­wi­ckelte für die Besat­zungs­wirt­schaft zen­trale Bedeu­tung. Um die Deut­schen zu sät­ti­gen, hun­gerte die NS-Führung skru­pel­los die Men­schen in den besetz­ten Gebie­ten aus. Der Land­wirt­schaft im GG press­ten die Besat­zer Jahr für Jahr immer grö­ßere Getrei­de­men­gen ab, allein 1943/44 waren es 1,5 Mil­lio­nen Ton­nen. Die Ham­bur­ger und Bre­mer Kauf­leute, die die für die­ses Sys­tem von Peit­sche und Zucker­brot benö­tig­ten »Prä­mien« ver­kauf­ten, stei­ger­ten zugleich ihre Umsätze und Profite. 

»Hamburger Kaufleute vom Generalgouvernement bis zum Kaukasus«

Das han­se­städ­ti­sche Enga­ge­ment in Zen­tral­po­len erwies sich für die betei­lig­ten Deut­schen als Erfolg und das GG somit als Ver­suchs­la­bor für viel wei­ter­ge­hende Akti­vi­tä­ten im besetz­ten »Osten«. Nach dem Über­fall auf die UdSSR presch­ten die Ham­bur­ger los, um sich an der Aus­beu­tung die­ser Ter­ri­to­rien eben­falls zu betei­li­gen. Inter­nen Unter­la­gen der Han­dels­kam­mer Ham­burg zufolge wur­den 179 ham­bur­gi­sche Fir­men in den beset­zen Tei­len der Sowjet­union aktiv bezie­hungs­weise waren dafür »vor­ge­merkt»«. Außer­dem arbei­te­ten dem­nach 700 Ham­bur­ger Kauf­leute für die Zen­tral­han­dels­ge­sell­schaft Ost, die die sowje­ti­sche Land­wirt­schaft aus­beu­tete. Der Prä­ses der Han­dels­kam­mer Joa­chim de la Camp froh­lockte in sei­ner Sil­ves­ter­an­spra­che von 1942: »Unter­neh­mer­initia­tive hat fer­ner gerade in Ham­burg einen Weg gefun­den, an den wir vor dem Krieg noch nicht den­ken konn­ten. […] Begin­nend mit der West­grenze des Gene­ral­gou­ver­ne­ments bis zu den Ber­gen des Kau­ka­sus, fin­den Sie zur Erschlie­ßung der wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten Ham­bur­ger Men­schen und Ham­bur­ger Fir­men in gro­ßer Zahl.« Zuvor hatte Hans E. B. Kruse, Vize­prä­ses der Kam­mer, bereits intern fest­ge­stellt, es stehe »Ham­burg im Osten an füh­ren­der Stelle«. An zwei­ter Stelle kamen die zahl­rei­chen Bre­mer Unter­neh­men, die in der besetz­ten UdSSR tätig wur­den. Zwar ste­hen ver­glei­chende For­schun­gen noch aus, doch allem Anschein nach war das han­se­städ­ti­sche Enga­ge­ment im besetz­ten Ost­eu­ropa beson­ders groß.

Die Ham­bur­ger Kauf­leute began­nen, den »Osten« als ihr neues Kolo­ni­al­ge­biet zu betrach­ten. In den Vor­jah­ren hat­ten sie noch gehofft, dass Deutsch­land Kolo­nien in Afrika zurück­er­halte. Doch 1941 hieß es etwa bei der Deutsch-Ostafrikanischen Gesell­schaft, einer ham­bur­gi­schen Han­dels­firma, die nun im GG tätig war: »Momen­tan gilt die Parole: Die Kolo­nien lie­gen im Osten!« Die han­sea­ti­schen men­tal maps, die bis­lang auf Län­der und Ter­ri­to­rien jen­seits der Ozeane kon­zen­triert gewe­sen waren, hat­ten sich gewan­delt. In Über­see woll­ten die Kauf­mann­schaf­ten nach dem erwar­te­ten Kriegs­ende erneut tätig wer­den, doch Ost­eu­ropa sollte diese Betä­ti­gungs­fel­der nun wesent­lich ergän­zen. Der Kolo­ni­al­stand­ort Ham­burg passte seine Aus­rich­tung somit an die wirt­schaft­li­che Groß­wet­ter­lage an, die Hit­lers Herr­schaft brachte, der nicht von Kolo­nien in Afrika träumte, son­dern von »Lebens­raum im Osten«. 

An die breite Teil­habe ham­bur­gi­scher Wirt­schafts­kreise an der NS-Besatzungsherrschaft erin­nert in der Stadt fast nichts. Die meis­ten der betei­lig­ten Unter­neh­men, die heute noch exis­tie­ren, wol­len von ihrer pro­ble­ma­ti­schen Geschichte nichts wis­sen. Eine Auf­trags­stu­die der Han­dels­kam­mer von 2015, die bean­spruchte die NS-Geschichte der Insti­tu­tion auf­zu­ar­bei­ten, stieß wegen ihrer beschö­ni­gen­den Stoß­rich­tung auf scharfe öffent­li­che Kri­tik. Zwar bemühte sich die Kam­mer in letz­ter Zeit stär­ker um die »Auf­ar­bei­tung«  ihrer NS-Vergangenheit, etwa indem sie ihrer jüdi­schen Mit­glie­der gedachte, die wäh­rend der NS-Zeit ver­folgt wur­den. Die Dis­kus­sion um die his­to­ri­sche Schuld der han­se­städ­ti­schen Wirt­schafts­eli­ten ist jedoch längst nicht abgeschlossen.

Felix Mat­heis, Okto­ber 2021. 

Der Autor ist His­to­ri­ker in Ham­burg und hat im Rah­men sei­ner Dok­tor­ar­beit inten­siv zur Betei­li­gung Ham­bur­ger und Bre­mer Kauf­leute an der Besat­zungs­herr­schaft im Gene­ral­gou­ver­ne­ment geforscht.

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    Götz Aly, Susanne Heim, Vor­den­ker der »Ver­nich­tung«. Ausch­witz und die deut­schen Pläne für eine neue euro­päi­sche Ord­nung, über­ar­bei­tete Neu­auf­lage, Frank­furt am Main 2013 (zuerst Ham­burg 1991), 216−221;
    Frank Bajohr, »Ari­sie­rung« in Ham­burg. Die Ver­drän­gung der jüdi­schen Unter­neh­mer 1933–1945, Ham­burg 1997, 325−331;
    Karl Heinz Roth, Öko­no­mie und poli­ti­sche Macht. Die »Firma Ham­burg« 1930–1945, in: Ebbing­haus, Angelika/Linne, Kars­ten (Hg.), Kein abge­schlos­se­nes Kapi­tel. Ham­burg im »Drit­ten Reich«, Ham­burg 1997, 15−176;
    Kars­ten Linne, Deut­sche Afri­ka­fir­men im »Ost­ein­satz«, in: 1999 16 (2001), H. 1, 49–90.

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