»Man sah uns von Beginn an als Feinde«

»Man sah uns von Beginn an als Feinde«

Die Eman­zi­pa­to­ri­sche Linke.Shalom Ham­burg pro­tes­tiert immer wie­der gegen die poli­ti­sche Ver­harm­lo­sung des IZH. Dabei erhielt sie zuletzt sogar Gegen­wind aus der eige­nen Par­tei. Jan Vah­len­kamp, einer ihrer Sprecher:innen, erklärt im Inter­view mit Felix Jacob warum die Ham­bur­ger LINKE sich gegen eine Kund­ge­bung der Gruppe stellte und wieso er nun aus der Par­tei austritt. 

Jan Vah­len­kamp (Bild­mitte) mit dem der­zei­ti­gen Sprecher:innenrat der Eman­zi­pa­to­ri­schen Linken.Shalom sowie Vol­ker Beck bei einer Demo vorm IZH im Mai 2021. Bild: privat.

Untie­fen: Lie­ber Jan, das Isla­mi­sche Zen­trum Ham­burg (IZH) steht der­zeit öffent­lich in der Kri­tik wie lange nicht mehr. Anläss­lich der Dis­kus­sion um den Staats­ver­trag mit den mus­li­mi­schen Ver­bän­den und, in den letz­ten Wochen, um einen mög­li­chen Platz für die Schura im NDR-Rundfunkrat ist der Außen­pos­ten des ira­ni­schen Mullah-Regimes der zen­trale Streit­punkt zwi­schen FDP, CDU und AfD einer­seits, SPD und Grü­nen ande­rer­seits. Ihr als Eman­zi­pa­to­ri­sche Linke.Shalom Ham­burg betei­ligt euch unab­hän­gig von sol­chen Kon­junk­tu­ren schon seit lan­gem immer wie­der an den Pro­tes­ten gegen das IZH. Wie bewer­tet ihr die aktu­elle poli­ti­sche Lage? Mit wem arbei­tet ihr zusammen?

Vah­len­kamp: Wenn die Poli­tik das IZH und den Staats­ver­trag the­ma­ti­siert, dann ist das gut. Wenn das zu einem ober­fläch­li­chen Wahl­kampf­thema zwi­schen dem rech­ten und dem lin­ken Flü­gel der Bür­ger­schaft wird, dann ist das schlecht. Ich glaube aber gar nicht, dass das der Fall ist. Auch bei den Grü­nen wird ja über das IZH dis­ku­tiert. Die grüne Bür­ger­schafts­ab­ge­ord­nete Gud­run Schit­tek hat schon mal einen Rede­bei­trag auf einer der Kund­ge­bun­gen gehal­ten, ebenso wie der ehe­ma­lige Bun­des­tags­ab­ge­ord­nete Vol­ker Beck. Ich habe auch schon Leute von der AG Säku­lare der Lin­ken dort gese­hen. Die links­li­be­rale Mopo schreibt recht kri­tisch über das IZH und der SPD-nahe Sascha Lobo hat die Staats­ver­träge in sei­ner Spiegel-Kolumne auch schon kri­ti­siert. Ich glaube, da ist eini­ges in Bewegung.

Bei uns gibt es per­so­nelle Über­schnei­dun­gen mit der »Deutsch-Israelischen Gesell­schaft«, die sich zu dem Thema recht klar posi­tio­niert. Außer­dem haben wir Kon­takt zum »Bünd­nis gegen Anti­se­mi­tis­mus Kiel«, die jedes Mal anrei­sen, wenn gegen das IZH demons­triert wird. Wir arbei­ten auch mit den Grup­pen »Inter­na­tio­nal Women in Power« und »Nasle Baran­daz« zusam­men, die jeweils Kund­ge­bun­gen gegen das IZH orga­ni­siert haben. Das­selbe gilt auch für den »Zen­tral­rat der Ex-Muslime«.

Untie­fen: Am 07. August fand unter dem Motto »1400 Jahre Geno­zid im Iran – IZH muss geschlos­sen wer­den« erneut eine Kund­ge­bung gegen das IZH statt, orga­ni­siert von der ira­ni­schen Ham­bur­ger Gruppe Nasle Baran­daz (»Sub­ver­sive Gene­ra­tion«), mit­ge­tra­gen von euch. Sie wurde im Vor­feld vom IZH und eini­gen Zei­tun­gen als »anti­mus­li­mi­sche Hetze« dif­fa­miert. Geht diese Stra­te­gie eurer Erfah­rung nach auf?

Vah­len­kamp: Das glaube ich kaum. Ich selbst habe durch die Pres­se­mel­dung über­haupt erst davon erfah­ren, dass da eine Kund­ge­bung geplant ist. Wir haben dann schnell ent­schie­den, dass wir uns öffent­lich hin­ter die Kund­ge­bung stel­len, auch wenn uns das Motto etwas frag­lich erschien. Hin­ter­her gab es dann ja auch einen ziem­lich sach­li­chen Bericht im Ham­burg Jour­nal des NDR. Wenn Leute bereit sind, ein­fach mal zuzu­hö­ren, ver­puf­fen sol­che Dif­fa­mie­run­gen recht schnell.

Ein Bei­spiel: Vor fünf Jah­ren hatte die Links­ju­gend Solid Mina Ahadi vom Zen­tral­rat der Ex-Muslime ein­ge­la­den. Die Ver­an­stal­tung wurde im Vor­feld stark kri­ti­siert und es wurde behaup­tet, Mina Ahadi sei eine Ras­sis­tin. Ich kenne eine Genos­sin, die damals auch in diese Rich­tung pole­mi­siert hat. Heute steht die­selbe Genos­sin mit Mina Ahadi zusam­men auf der Bühne und beide applau­die­ren einander.

Untie­fen: Wie ist das Motto »1400 Jahre Geno­zid im Iran« denn eurer Mei­nung nach zu verstehen?

Die Veranstalter:innen der Kund­ge­bung zie­hen hier den Bogen von der Erobe­rung des Sas­sa­ni­den­rei­ches im 7. Jahr­hun­dert hin zur Isla­mi­schen Repu­blik von heute. So eine Erobe­rung war natür­lich nicht unblu­tig und die Isla­mi­sie­rung nicht das Ergeb­nis einer fried­li­chen Mis­sion. Und bis heute dür­fen Ira­ner, bei Andro­hung dra­ko­ni­scher Stra­fen, ihre Reli­gion nicht frei wäh­len, sie blei­ben zwangs­is­la­mi­siert. Dies wird von man­chen als kul­tu­rel­ler Geno­zid ange­se­hen, bei dem der Islam als Ideo­lo­gie die ira­ni­sche Nation unter­drückt. Eine sol­che Sicht­weise hat schon etwas Natio­nal­ro­man­ti­sches. Aber wie so oft kön­nen wir hier schlecht deut­sche Maß­stäbe an ein Land legen, dass eine ganz andere Geschichte, Gegen­wart, Gesell­schaft und Poli­tik vor­zu­wei­sen hat. Und die­ses Land, also der Iran, hat die Veranstalter:innen nun mal ent­schei­dend geprägt. Die meis­ten von ihnen sind erst vor weni­gen Jah­ren als Flücht­linge hier­her gekommen.

Untie­fen: Vor gut zwei Wochen wur­den von Unbe­kann­ten poli­ti­sche Paro­len auf das IZH gesprüht, offen­bar im Zusam­men­hang mit den Pro­tes­ten gegen das Regime in der Pro­vinz Khu­ze­stan. In der Presse war von einem»Anschlag auf eine Moschee« die Rede. Teilt ihr diese Perspektive?

Vah­len­kamp: Ein Farb­an­schlag ist kein Mit­tel eines demo­kra­ti­schen Dis­kur­ses. Dafür ste­hen andere Mit­tel zur Verfügung.

Ich kann auch ver­ste­hen, dass Lan­des­rab­bi­ner Shlomo Bis­tritzky sich hier mit der Schura soli­da­ri­siert hat. Syn­ago­gen sind ja sehr oft von Farb­an­schlä­gen und ähn­li­chem betrof­fen und wenn diese Gebäude nicht so auf­wän­dig geschützt wären, dann wären sie es wohl noch viel häu­fi­ger. Diese Anschläge wir­ken bedroh­lich und ein­schüch­ternd  – und das ist ja auch beab­sich­tigt. Auch Moscheen waren in den letz­ten Jah­ren immer wie­der das Ziel von xeno­pho­ben Angrif­fen, seien es Brand­an­schläge oder das Able­gen von Schwei­ne­köp­fen oder ähn­li­ches. Für so etwas habe ich abso­lut kein Verständnis.

Beim IZH ist der Fall aber mei­nes Erach­tens nach etwas anders gela­gert. Es ist ja offen­sicht­lich, dass die Tat durch ira­ni­sche Dis­si­den­ten began­gen wurde. Die Paro­len waren in per­si­scher Spra­che und hat­ten poli­ti­schen, auf den Iran bezo­ge­nen Inhalt. Man muss sich ver­ge­gen­wär­ti­gen, dass der Iran eines der sehr weni­gen Län­der auf der Welt ist, wo Kle­rus und poli­ti­sche Macht­ha­ber nicht bloß eng mit­ein­an­der ver­strickt sind, son­dern wo der Kle­rus selbst die poli­ti­sche Macht inne­hat. Hier haben sich also Leute quasi an ihren Unter­drü­ckern gerächt und ich denke, das ist etwas ande­res, als wenn man einer Min­der­heit Angst ein­ja­gen möchte. Im Iran würde man für so etwas sei­nen Kopf ver­lie­ren, hier droht nur eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.

Untie­fen: Auch die Bür­ger­schafts­frak­tion der Lin­ken hatte vor der Demo in einer Pres­se­mit­tei­lung behaup­tet, hier würde – grade nach dem genann­ten »Anschlag« –  »gezielt Stim­mung gemacht gegen Ham­burgs mus­li­mi­sche Bürger:innen«  und so das  »Zusam­men­le­ben unter­schied­li­cher Kul­tu­ren und Reli­gio­nen« in Ham­burg gefähr­det. Ihr habt diese Dar­stel­lung zurück­ge­wie­sen. Hat eure Par­tei in Ham­burg eine grund­sätz­lich andere Hal­tung zum IZH als ihr?

Vah­len­kamp: Die Linke hat ja über­haupt keine Posi­tion zum IZH. Arbeit, Wirt­schaft und Sozia­les – das sind die The­men der Lin­ken. Aber weder zum Thema IZH noch zum Thema Isla­mis­mus stand irgend­et­was im Bür­ger­schafts­wahl­pro­gramm. Dar­auf ange­spro­chen heißt es dann meist, man wolle keine rech­ten Dis­kurse bedie­nen. Viele ver­ste­hen ein­fach nicht, dass die rech­ten Dis­kurse durch das Igno­rie­ren sol­cher The­men erst recht bedient wer­den. Diese Unbe­darft­heit sah man ja auch der Pres­se­mit­tei­lung an. Da wurde die Hal­tung und Sicht­weise der Schura ein­fach über­nom­men. Dann haben wohl ein paar Leute dort ange­ru­fen und sich beschwert. Dar­auf­hin wurde die Pres­se­mit­tei­lung schnell wie­der kom­men­tar­los aus dem Inter­net entfernt.

Zumin­dest ein Teil der Lin­ken hegt aber auch mehr oder weni­ger offen Sym­pa­thie mit der Isla­mi­schen Repu­blik Iran. Das wirkt natür­lich erst­mal gro­tesk, weil es ein strikt anti­kom­mu­nis­ti­sches Regime ist. Aber es ist eben auch ein erklär­ter Feind des »US-Imperialismus« und das ist man­chen im Zwei­fel wich­ti­ger. Beson­ders die Gruppe Marx21 hat ja immer beson­ders viel Ver­ständ­nis für Isla­mis­ten aller Cou­leur. Ich glaube, sie tun das, weil sie den west­li­chen Libe­ra­lis­mus als gemein­sa­men Feind anse­hen. Im Fall Iran kommt aber auch noch mit hinzu, dass das Land beste Bezie­hun­gen zu den ALBA-Staaten und Putins Russ­land hat. Von daher hat das Regime für man­che Linke den Sta­tus eines Ver­bün­de­ten und da hält man sich dann mit Kri­tik zurück.

Untie­fen: Gibt es aus der Ham­bur­ger Links­par­tei Belege für sol­che Haltungen?

Vah­len­kamp: Ja, zum Bei­spiel pos­tete die Bür­ger­schafts­frak­tion 2017 zum »Inter­na­tio­na­len Tag gegen Homo‑, Bi‑, Inter- und Trans­pho­bie« bei Face­book einen Auf­ruf und erin­nerte daran, dass viele Men­schen auf­grund ihrer sexu­el­len Ori­en­tie­rung flüch­ten müs­sen. Dar­auf folgte eine Liste sol­cher Unter­drü­ck­er­staa­ten, wie etwa Saudi-Arabien oder die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­rate. Auf­fäl­lig war aber, dass der Iran, der auch beim Thema Homo­se­xua­li­tät der Hin­rich­tungs­welt­meis­ter ist, auf der Liste fehlte, ebenso wie Russ­land. Dafür stand dort die Ukraine, obwohl dort homo­se­xu­elle Hand­lun­gen gar nicht ver­bo­ten sind und sich seit dem Euro­mai­dan die Poli­tik für mehr Tole­ranz ein­setzt. Es waren aus­schließ­lich pro­west­li­che Staa­ten auf der Liste ver­zeich­net. Ich fragte dann nach, ob die­ses Weg­las­sen der Achse Moskau-Teheran-Damaskus geschul­det sei.

Das Pres­se­team ant­wor­tete: »Das Enga­ge­ment der LINKEN gegen Dis­kri­mi­nie­rung ist uni­ver­sell und nimmt weder Rück­sicht auf irgend­wel­che kon­stru­ier­ten Ach­sen‹ noch auf den Iran, auf Russ­land oder auf sonst­wen. Und auch nicht auf die­je­ni­gen, die mei­nen, der LINKEN bei wirk­lich jeder Gele­gen­heit die übels­ten Absich­ten unter­stel­len zu müs­sen.« Erst Jahre spä­ter erfuhr ich von der dama­li­gen Prak­ti­kan­tin, die den Auf­ruf geschrie­ben hatte, dass in der ursprüng­li­chen Liste natür­lich auch Iran und Russ­land stan­den. Aller­dings hatte der dama­lige que­er­po­li­ti­sche Spre­cher Mar­tin Dol­zer die Liste vor der Ver­öf­fent­li­chung abge­än­dert. Dol­zer gehört zu einem Kreis von Putin-Lobbyisten, die oft in Russ­land zu Gast sind. Und die ste­hen dann eben auch zu Putins Alliierten.

Untie­fen: Die isra­els­o­li­da­ri­schen Shalom-Arbeitskreise wie ihr waren von Anfang an mar­gi­nal in der Links­ju­gend Solid und Dis­sens besteht sicher nach wie vor in einer gan­zen Reihe von Fra­gen. Wie ist heute das Ver­hält­nis zur Linksjugend?

Vah­len­kamp: Der BAK Shalom in der Links­ju­gend Solid hatte zu Beginn einen schwe­ren Stand, auch wenn das in den ein­zel­nen Lan­des­ver­bän­den unter­schied­lich aus­ge­prägt war. Er wurde natür­lich immer vor dem Hin­ter­grund der »AntiD-Antiimp« Kon­tro­verse gese­hen. Aber dann gab es 2014 die von der Links­ju­gend Solid orga­ni­sierte Demo »Stoppt die Bom­bar­die­rung Gazas – für ein Ende der Eska­la­tion im Nahen Osten« in Essen. Daran nah­men höchst zwei­fel­hafte Gestal­ten teil, die anti­se­mi­ti­sche Sprech­chöre rie­fen, jüdi­sche Ein­rich­tun­gen anzu­grei­fen ver­such­ten und Gegen­de­mons­tran­ten mit Fla­schen bewar­fen. Das war eine Art Schock­mo­ment, der dazu führte, dass im Jahr dar­auf der Antrag »Gegen jeden Anti­se­mi­tis­mus« vom Bun­des­kon­gress der Links­ju­gend Solid beschlos­sen wurde.

Ich glaube, das war das erste Mal, dass ein Antrag vom BAK Shalom ange­nom­men wurde. Heute sind die Struk­tu­ren des BAK Shalom rela­tiv gut ein­ge­bun­den in die Arbeit der Links­ju­gend Solid, was man ja auch an der dies­jäh­ri­gen Erklä­rung »Trauer um die Toten – Hass für die Hamas!« erken­nen kann. Da haben sich einige aus der jüdi­schen und isra­els­o­li­da­ri­schen Com­mu­nity gewun­dert, dass so etwas von den Lin­ken kommt. Die den­ken ja oft, dass wir ihnen feind­lich geson­nen sind. Ich sehe den Jugend­ver­band ins­ge­samt auf einem guten Weg, auch wenn es vor Ort wei­ter­hin sehr unter­schied­lich bleibt.

Untie­fen: Und wie sieht es hier in Ham­burg für Euch aus?

Vah­len­kamp: Hier hapert es nicht zuletzt mit der inner­par­tei­li­chen Demo­kra­tie. Vor zwei Jah­ren haben wir uns als ham­bur­gi­scher Lan­des­ver­band der Eman­zi­pa­to­ri­schen Lin­ken zusam­men­ge­schlos­sen, nach­dem wir zunächst drei Jahre unter dem Dach des BAK Shalom im Jugend­ver­band orga­ni­siert waren. Die Eman­zi­pa­to­ri­sche Linke ist eine inner­par­tei­li­che Strö­mung, die sich an gesell­schafts­li­be­ra­len, radi­kal­de­mo­kra­ti­schen und eman­zi­pa­to­ri­schen Stand­punk­ten ori­en­tiert. Der Lan­des­vor­stand der Lin­ken wollte uns zunächst gar nicht als Zusam­men­schluss aner­ken­nen, obwohl er laut Sat­zung zur Aner­ken­nung ver­pflich­tet ist, wenn die for­ma­len Kri­te­rien erfüllt sind. Dem­entspre­chend konnte die Lan­des­schieds­kom­mis­sion den Nicht-Anerkennungs-Beschluss schnell wie­der aufheben.

Aber man sah uns im Lan­des­vor­stand wohl von Beginn an als Feinde. Unser Antrag an den Lan­des­par­tei­tag 2020, »Keine Lie­bes­grüße nach Mos­kau«, der sich kri­tisch mit Putins Kriegs­po­li­tik aus­ein­an­der­setzte, wurde von der Antrags­kom­mis­sion »ver­se­hent­lich« lay­out­tech­nisch der­ma­ßen zer­hackt, dass er kaum noch les­bar war, bevor der Par­tei­tag dann die Nicht­be­fas­sung beschloss. Im Früh­jahr 2021 haben wir eine Online-Veranstaltungsreihe zu Ver­schwö­rungs­my­then gemacht. Dafür beka­men wir von der Par­tei ein wenig Geld, was aller­dings im Nach­gang zu wüs­ten Debat­ten im Lan­des­vor­stand führte. Lus­ti­ger­weise hatte nie­mand inhalt­lich etwas an der Ver­an­stal­tungs­reihe aus­zu­set­zen, aber es wurde ein gro­ßer Alarm gemacht, dass man damit ja »Anti­deut­sche« unter­stüt­zen würde.

Untie­fen: Zieht ihr aus sol­chen und den neus­ten Ent­täu­schun­gen rund um die Kund­ge­bung poli­ti­sche Konsequenzen?

Ich bin gerne bereit, mit allen und über alles zu dis­ku­tie­ren. Aber dann möchte ich über Fak­ten spre­chen und nicht über gestreute Gerüchte oder Dog­men, die sich Leute in den 1970er Jahre so ange­wöhnt haben. Wenn man sich gegen Anti­se­mi­tis­mus ein­setzt, hat man ja auto­ma­tisch eine Menge Feinde, ob nun aus der Nazi-Szene, aus isla­mis­ti­schen Zir­keln oder in den letz­ten Jah­ren ver­mehrt auch aus dem Aluhut-Milieu. Da kann man dann nicht auch noch »Fri­endly Fire« aus der eige­nen Par­tei gebrau­chen. Außer­dem haben wir natür­lich eine gewisse Ver­ant­wor­tung gegen­über unse­ren Sym­pa­thi­san­ten, die wir in den letz­ten Jah­ren gewon­nen haben. Allein bei Face­book fol­gen uns über 800 Leute. Die meis­ten sind par­tei­lich nicht gebun­den. Die kom­men dann zu unse­ren Info­ver­an­stal­tun­gen und Demos, lesen unsere Texte, hören unsere Rede­bei­träge und den­ken sich: »Oh, es gibt sta­bile Leute in der Lin­ken. Dann wähle ich die.«

Aber wen wäh­len sie damit in Ham­burg? Sie wäh­len die Spit­zen­kan­di­da­tin Żaklin Nas­tić. Also die Frau, die Angela Mer­kel wegen »Bei­hilfe zum Mord« ange­zeigt hat, weil sie die Liqui­die­rung des Top­ter­ro­ris­ten Qasem Sol­ei­mani nicht ver­hin­dert hat. So ein Vor­ge­hen ist zum einen ziem­lich gaga, zum ande­ren zeigt es aber auch, wo die »Spre­che­rin für Men­schen­rechts­po­li­tik« so ihre Prio­ri­tä­ten sieht und bei wem ihre Sym­pa­thien lie­gen. Dann will man auf­sprin­gen und schreien: »Nein, nein, wählt sie nicht!« Ich fühle mich da wie Oskar Lafon­taine, der ja mitt­ler­weile auch zur Nicht-Wahl der Lin­ken auf­ruft, wenn auch aus gänz­lich ande­ren Grün­den. Ich möchte aber authen­tisch blei­ben und trete dann kon­se­quen­ter­weise aus der Par­tei Die Linke aus. Ich finde mich weder in der Außen­po­li­tik noch in dem gan­zen Dog­ma­tis­mus der Lin­ken heute noch wieder.

Untie­fen: Planst Du in eine andere Par­tei ein­zu­tre­ten? Oder setzt Du deine Arbeit par­tei­los fort?

Vah­len­kamp: Ich sehe mich heut­zu­tage als Sozi­al­li­be­ra­len. Und als sol­cher stimme ich am ehes­ten mit den Posi­tio­nen von Bündnis90/Die Grü­nen über­ein. Des­halb werde ich dort dem­nächst einen Antrag auf Mit­glied­schaft stel­len. Ein »Par­tei­sol­dat« werde ich aber in die­sem Leben wohl nicht mehr. Dafür habe ich dann doch zu oft mei­nen eige­nen Kopf. Glück­li­cher­weise leben wir aber ja in einer Gesell­schaft, in der es viel­fäl­tige Mög­lich­kei­ten gibt, sich ein­zu­brin­gen. Und das werde ich sicher­lich auch wei­ter­hin tun.

Untie­fen: Danke für das Gespräch!

Staatsvertrag mit Mullahs

Staatsvertrag mit Mullahs

In bes­ter Ham­bur­ger Als­ter­lage resi­diert das Isla­mi­sche Zen­trum Ham­burg mit sei­ner »Blauen Moschee«. Es fun­giert als euro­päi­sche Ver­tre­tung der isla­mis­ti­schen Des­po­tie im Iran. Seit 2012 wird es durch einen Staats­ver­trag mit der Stadt Ham­burg poli­tisch geför­dert. Nach dem Wil­len von SPD und Grü­nen soll das so wei­ter­ge­hen. Warum?

Die Imam-Ali-Moschee an der Bin­nen­als­ter. Foto: Alt­Sylt Lizenz: CC BY 4.0

In bes­ter Lage an der Außen­als­ter resi­diert seit 1965 die Ham­bur­ger Imam-Ali-Moschee, laut Stadt­mar­ke­ting »eine der schöns­ten Moscheen Deutsch­lands«. Trä­ger des von ira­ni­schen Kauf­leu­ten in den 1960ern finan­zier­ten Pracht­baus ist das Isla­mi­sche Zen­trum Ham­burg (IZH), das als euro­päi­scher Brü­cken­kopf der schiitisch-islamistischen Des­po­tie im Iran fun­giert. Deren oberste reli­giöse Auto­ri­tät und Revo­lu­ti­ons­füh­rer, Aja­tol­lah Ali Cha­menei, ist nicht nur Macht­ha­ber über die mör­de­ri­schen Revo­lu­ti­ons­gar­den, Holo­caust­leug­ner und obses­si­ver Isra­el­has­ser mit ato­ma­ren Ambi­tio­nen, son­dern ent­sen­det seit 1989 auch per­sön­lich sei­nen Stell­ver­tre­ter für Europa an die Als­ter. Über das IZH reicht Tehe­rans lan­ger Arm bis zu ira­ni­schen Oppo­si­tio­nel­len, die in Ham­burg immer wie­der Opfer von Über­grif­fen aus dem Umfeld der Imam-Ali-Moschee werden.

Den­noch hat die SPD das IZH 2012 im Rah­men des Staats­ver­trags mit den mus­li­mi­schen Ver­bän­den offi­zi­ell zum poli­ti­schen Part­ner auf­ge­wer­tet. Anfang 2021 haben SPD und Grüne sich in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag dar­auf ver­stän­digt, die­sen Staats­ver­trag zu ver­län­gern. Warum wird ira­ni­scher Isla­mis­mus in Ham­burg offen gefördert?

Das Offensichtliche

Dass man es bei den Isla­mis­ten von der Schö­nen Aus­sicht 36 mit Pro­pa­gan­dis­ten und Schlä­gern im Auf­trag der isla­mi­schen Repu­blik zu tun hat, ist offen­sicht­lich. Wer es wis­sen will, kann den Aus­sa­gen der über­schau­ba­ren aber hart­nä­cki­gen Gruppe ira­ni­scher Oppo­si­tio­nel­ler, Ex-Muslime und ver­ein­zel­ter isra­els­o­li­da­ri­scher Links­ra­di­ka­ler zuhö­ren, die sich regel­mä­ßig auf Kund­ge­bun­gen und Demons­tra­tio­nen vor der Moschee ver­sam­meln. Min­des­tens das poli­ti­sche Per­so­nal der regie­ren­den rot-grünen Koali­tion weiß, dass die Kho­mei­nis­ten von der Schö­nen Aus­sicht seit zwei Jahr­zehn­ten mal offen, mal ver­deckt den anti­se­mi­ti­schen Al-Quds-Marsch in Ber­lin mit­or­ga­ni­sie­ren und unter­stüt­zen. Sie wis­sen, dass das IZH eine Anlauf­stelle für Hisbollah-Anhänger:innen in Ham­burg und dar­über hin­aus ist. Sie wis­sen, dass die IZH-Leiter nach außen gemä­ßigt und dia­log­be­reit auf­tre­ten, ideo­lo­gisch aber am Export der isla­mi­schen Revo­lu­tion fest­hal­ten. Sie wis­sen, dass dort Miso­gy­nie und Homo­pho­bie ver­brei­tet wer­den. Sie wis­sen, dass dort jedes Jahr Gedenk­ver­an­stal­tun­gen für Aja­tol­lah Cho­meini abge­hal­ten wer­den, oder, wie letz­tes Jahr, für den Kom­man­deur der Quds-Einheit und Schläch­ter Qasem Soleimani.

Trotz­dem han­delte die Stadt Ham­burg zwi­schen 2006 und 2012, zunächst unter dem CDU-Senat Ole von Beusts, dann unter Olaf Scholz, einen Staats­ver­trag mit dem DITIB Lan­des­ver­band Ham­burg, dem Ver­band der Isla­mi­schen Kul­tur­zen­tren, der ale­vi­ti­schen Gemeinde und der SCHURA – Rat der isla­mi­schen Gemein­schaf­ten in Ham­burg aus. In der Schura stellt das IZH seit jeher einen von drei Vor­sit­zen­den, ent­spre­chend hat sich der Dach­ver­band wie­der­holt hin­ter die Machen­schaf­ten um die Imam-Ali-Moschee gestellt. Inten­tion des 2012 vom dama­li­gen Bür­ger­meis­ter Olaf Scholz unter­zeich­ne­ten Staats­ver­trags war es – ebenso wie zuvor mit christ­li­chen und jüdi­schen Gemein­den – das Ver­hält­nis zur Stadt Ham­burg zu klä­ren. Neben der Rege­lung prak­ti­scher Fra­gen zu mus­li­mi­schen Fei­er­ta­gen, Fried­hö­fen und isla­mi­schem Reli­gi­ons­un­ter­richt sollte so für Inte­gra­tion und fried­li­ches Mit­ein­an­der gewor­ben sowie inner­halb der Ver­bände die Abgren­zung gegen­über »Extre­mis­ten« gestärkt wer­den. Dafür such­ten sich die Ham­bur­ger Regie­run­gen ihre Part­ner expli­zit danach aus, wer die meis­ten und die diver­ses­ten Moschee­ver­eine etc. reprä­sen­tiert. Gegen die öffent­li­che Kri­tik an den isla­mis­ti­schen »Aus­rut­schern« inner­halb der Part­ner­ver­eine in der Schura – die es nicht nur beim IZH gibt – ver­tei­di­gen SPD und Grüne ihren Staats­ver­trag dann auch im Namen der Inte­gra­tion:
»Die Aus­rich­tung des IZH war beim Abschluss der Ver­träge bekannt. Senat und Bür­ger­schaft hat­ten dies mit dem Nut­zen schrift­li­cher Ver­träge als Grund­lage für eine Zusam­men­ar­beit im Sinne der Inte­gra­tion abzu­wä­gen.« Sicher habe es hier und da »Anlass für Kri­tik und Schwie­rig­kei­ten« gege­ben, ins­ge­samt habe sich der Ver­trag aber doch »bewährt«.

Der Bundesregierung auf der Spur

Ham­burg folgt damit in dop­pel­ter Weise der Stra­te­gie der Bun­des­re­gie­rung. Ers­tens ist die deut­sche Außen­po­li­tik gegen­über dem ira­ni­schen Regime oppor­tu­nis­tisch. Zuguns­ten des Iran-Geschäfts deut­scher Kon­zerne hält die Bun­des­re­gie­rung ent­ge­gen aller Ver­stöße am Atom­ab­kom­men mit den Mul­lahs fest und ver­schließt dabei vor der Bru­ta­li­tät und dem mili­tan­ten Anti­se­mi­tis­mus des Regimes fest die Augen. Die BRD hat sogar – erfolgs­los – ver­sucht, die US-Handelssanktionen aus­zu­he­beln. Ham­burg ist dabei als Finanz­stand­ort mit­ten­drin: Wie Mat­thias Künt­zel zusam­men­ge­tra­gen hat, wur­den bis 2011 Mil­li­ar­den­sum­men für Iranisch-Indische Ölde­als über die Europäisch-Iranische Han­dels­bank im Kon­tor­haus­vier­tel an den Sank­tio­nen der USA vor­bei­ge­scho­ben – gedeckt von der Bun­des­fi­nanz­auf­sicht. Barack Obama rief gar per­sön­lich bei Angela Mer­kel an, um ein Ende die­ser Sabo­tage zu for­dern. Bis heute spielt die eben­falls von den Mul­lahs kon­trol­lierte Nie­der­las­sung der Melli Bank am Ham­bur­ger Niko­laifleet eine Schlüs­sel­rolle im euro­päi­schen Iran-Business. Offen­bar hat die Bun­des­bank ihr noch 2020 ihre Dienste zur Ver­fü­gung gestellt, um das Iran-Geschäft deut­scher Fir­men zu ermög­li­chen. Durch­aus denk­bar also, dass die Zurück­hal­tung der wech­seln­den Ham­bur­ger Senate gegen­über dem IZH auch eine wenig beach­tete geo­po­li­ti­sche Kom­po­nente hat.

Zwei­tens macht die Stadt Ham­burg mit ihrem Staats­ver­trag ebenso wie die Bun­des­re­gie­rung kon­ser­va­tive Islam­ver­bände für die Inte­gra­tion von Migrant:innen und Nach­fah­ren von Migrant:innen aus isla­mi­schen Län­dern mit­ver­ant­wort­lich. Am Bei­spiel des IZH zeigt sich deut­lich wie sonst sel­ten, was damit ein­ge­kauft wird. Wer um jeden Preis Kon­trolle und »Ansprech­part­ner« will, muss sich selbst die radi­kals­ten Isla­mis­ten als irgendwie-auch- Extre­mis­mus­be­kämp­fer zurecht­bie­gen. Ange­sichts der 2022/23 anste­hen­den Neu­ver­hand­lun­gen des Staats­ver­trags will die Rot-Grüne Regie­rung ein Ein­ge­ständ­nis des Schei­terns die­ser Stra­te­gie ent­ge­gen aller Kri­tik vermeiden.

Kritik von liberal bis rechtsextrem

Und diese Kri­tik fällt lei­der fast aus­schließ­lich von Sei­ten der Abge­ord­ne­ten von AfD, CDU und FDP deut­lich aus. Immer wie­der for­dern vor allem AfD und CDU, Schritte gegen das IZH zu unter­neh­men: vom Ende der Zusam­men­ar­beit mit dem IZH, über des­sen Aus­schluss aus der Schura bis hin zum Ver­eins­ver­bot, das zuletzt der innen­po­li­ti­sche Spre­cher der CDU-Fraktion Den­nis Gla­dia­tor ins Spiel brachte. Dass die CDU dabei stets die »Freiheitlich-Demokratische Grund­ord­nung« gegen den »reli­giö­sen Extre­mis­mus« ver­tei­di­gen will, um »Span­nun­gen in der Stadt« zu ver­mei­den, lässt ahnen, dass es hier um kon­ser­va­tive Pro­fil­bil­dung und Selbst­dar­stel­lung als staats­tra­gende Par­tei geht. Die AfD indes­sen, ins­be­son­dere ihr rechts­extre­mer Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der Alex­an­der Wolf, ver­sucht ihre Agi­ta­tion gegen das IZH als Teil ihres Kul­tur­kamp­fes gegen die »Isla­mi­sie­rung« zu insze­nie­ren. Einen media­len Erfolg konnte sie im Okto­ber 2020 ver­bu­chen, als durch eine große Anfrage der AfD in der Bür­ger­schaft her­aus­kam, dass unter ande­rem der Isla­mi­sches Zen­trum Ham­burg e.V. laut eige­ner Aus­kunft von der Ham­bur­ger Steu­er­ver­wal­tung bis heute als gemein­nüt­zi­ger Ver­ein aner­kannt ist und dadurch erheb­li­che Steu­er­vor­teile genießt. 

Die AfD argu­men­tierte, durch die Ein­stu­fung des IZH als »extre­mis­tisch« durch den Ver­fas­sungs­schutz sei das nicht nur ein poli­ti­scher Skan­dal, son­dern schlicht rechts­wid­rig. Zwar stellte sich Finanz­se­na­tor Andreas Dressel demons­tra­tiv vor seine Behörde und behaup­tete, die Steu­er­ver­wal­tung ent­ziehe als »extre­mis­tisch« ein­ge­stuf­ten Ver­ei­nen kon­se­quent die Gemein­nüt­zig­keit. Aber die AfD konnte nach­set­zen und bekam in einer wei­te­ren Anfrage im Novem­ber her­aus, dass nur wenige Tage nach Ver­öf­fent­li­chung der ers­ten Anfrage zwei wei­tere Ver­fah­ren zur Aberken­nung der Gemein­nüt­zig­keit wegen Extre­mis­mus­ein­stu­fung ein­ge­lei­tet wur­den. Gegen wen blieb mit Ver­weis auf das Steu­er­ge­heim­nis uner­wähnt. Für die AfD ein Coup, sieht es nun doch so aus als habe sie erfolg­reich den Finanz­se­na­tor vor sich her­ge­trie­ben und quasi zum Ein­ge­ständ­nis genö­tigt, dass »extre­mis­ti­sche Ver­eine« von der Finanz­be­hörde gedul­det wer­den. Im Namen des Kamp­fes gegen »Extre­mis­mus« zielte die AfD-Anfrage neben dem IZH auf den mar­xis­ti­schen Lesekreis-Verein Mar­xis­ti­sche Abend­schule (MASCH) e.V., der dann im Januar 2021 bekannt­gab, das Finanz­amt Nord habe ihm die Gemein­nüt­zig­keit mit Ver­weis auf den Ver­fas­sungs­schutz ent­zo­gen. Es ist zu ver­mu­ten, dass ein Zusam­men­hang zur Anfrage der AfD besteht.

Dass ein rot-grüner Senat sich von der Extremismus-Rhetorik von Ver­fas­sungs­schutz und AfD zum Ver­bot eines lin­ken Ver­eins drän­gen lässt – oder es selbst ange­strebt hat, ist ein Skan­dal. Ein wei­te­rer ist es, dass die ira­ni­schen Isla­mis­ten tat­säch­lich auch finan­zi­ell geför­dert wer­den und der Senat bis heute nicht Stel­lung dazu bezo­gen hat. Damit über­lässt er ein wich­ti­ges Thema der kultur-rassistischen Agi­ta­tion der AfD.

Linker Zweckoptimismus

Auch die oppo­si­tio­nelle Ham­bur­ger Links­frak­tion hat bis­lang keine Stel­lung zum IZH bezo­gen. Sie spricht sich zwar gegen Isla­mis­mus aus, wenn es um den IS und Rojava geht. Zu den schii­ti­schen Isla­mis­ten in Ham­burg schweigt sie aber. Die ein­zige Aus­nahme inner­halb des Lan­des­ver­bands ist die isra­els­o­li­da­ri­sche Split­ter­gruppe Eman­zi­pa­to­ri­sche Linke.Shalom Ham­burg. Die lang­jäh­rige ehe­ma­lige innen­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Links­frak­tion Chris­tiane Schnei­der erklärte im März 2021, wel­che poli­ti­schen Prio­ri­tä­ten einer Posi­tio­nie­rung zum IZH ent­ge­gen­ste­hen: Ers­tens hät­ten die Staats­ver­träge eine Ungleich­be­hand­lung von Mus­li­men been­det und seien daher Aus­druck von Reli­gi­ons­frei­heit und kul­tu­rel­ler Viel­falt. Zwei­tens sei die mul­ti­kon­fes­sio­nelle Schura eine Erfolgs­ge­schichte, da sie nicht nur mit dem Ziel gegrün­det wurde, sich zur deut­schen Gesell­schaft hin zu öff­nen, son­dern unter­des­sen tat­säch­lich ein »Selbst­ver­ständ­nis als isla­mi­sche Reli­gi­ons­ge­mein­schaft in einem säku­la­ren, demo­kra­tisch ver­fass­ten Rechts­staat« erar­bei­tet hätte. Drit­tens hät­ten sich CDU und FDP mit ihrer Kri­tik an den isla­mi­schen Ver­bän­den lei­der dem Kurs der AfD ange­schlos­sen, einer ein­ge­bil­de­ten Isla­mi­sie­rung den Kul­tur­kampf zu erklä­ren. Dem­ge­gen­über müsse DIE LINKE am Staats­ver­trag auch mit dem IZH fest­hal­ten, denn:

»Die Ver­träge sind zugleich Grund­lage, Kon­flikte zu the­ma­ti­sie­ren und zu Klä­run­gen zu kom­men. Dass das gelin­gen kann, zeigt die Tat­sa­che, dass das ›Isla­mi­sche Zen­trum Ham­burg‹ (IZH) seine Betei­li­gung an den höchst pro­ble­ma­ti­schen anti­is­rae­li­schen Demons­tra­tio­nen am jähr­li­chen Al Quds-Tag nach 2018 been­det hat.«

Dass der Marsch 2020 wegen der Corona-Pandemie glück­li­cher­weise ganz aus­fiel; dass 2019 zwar keine ira­ni­schen Geist­li­chen, aber den­noch IZH-Anhänger am Marsch teil­nah­men; dass wenn über­haupt, die Angst vor einem Ver­eins­ver­bot hier ein Zuge­ständ­nis des IZH erzwun­gen hat – geschenkt. Ent­schei­dend ist der linke Wille, sich durch ein höchs­tens sym­bo­li­sches Zuge­ständ­nis der IZH-Führung vor­gau­keln zu las­sen, mit Dia­log und Gesprä­chen könn­ten aus Bediens­te­ten eines Terror-Regimes doch noch Freunde von Diver­si­tät und Völ­ker­ver­stän­di­gung wer­den. Ob Schnei­der ihren Dialog-Optimismus wirk­lich sel­ber glaubt oder schlicht Angst hat, bei inhalt­li­cher Nähe zur Kri­tik von rechts und ganz rechts die wahl­tak­tisch wich­tige Glaub­wür­dig­keit in Sachen Anti-Rassismus zu ver­lie­ren, ist unklar. Ein Armuts­zeug­nis ist das linke Schwei­gen in jedem Fall. Es ist ein zwar unspek­ta­ku­lä­rer, aber fort­wäh­ren­der Ver­rat an all jenen, die für Frei­heit im Iran kämpfen.

Felix Jacob, Juni 2021

Der Autor ist Arbeits­lo­ser ohne Gewis­sens­bisse, Seg­ler und Als­ter­spa­zier­gän­ger. Für die Imam-Ali-Moschee schwebt ihm eine Nach­nut­zung als Stadt­teil­zen­trum mit Frei­bad vor.