Staatsvertrag mit Mullahs
In bester Hamburger Alsterlage residiert das Islamische Zentrum Hamburg mit seiner »Blauen Moschee«. Es fungiert als europäische Vertretung der islamistischen Despotie im Iran. Seit 2012 wird es durch einen Staatsvertrag mit der Stadt Hamburg politisch gefördert. Nach dem Willen von SPD und Grünen soll das so weitergehen. Warum?
In bester Lage an der Außenalster residiert seit 1965 die Hamburger Imam-Ali-Moschee, laut Stadtmarketing »eine der schönsten Moscheen Deutschlands«. Träger des von iranischen Kaufleuten in den 1960ern finanzierten Prachtbaus ist das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), das als europäischer Brückenkopf der schiitisch-islamistischen Despotie im Iran fungiert. Deren oberste religiöse Autorität und Revolutionsführer, Ajatollah Ali Chamenei, ist nicht nur Machthaber über die mörderischen Revolutionsgarden, Holocaustleugner und obsessiver Israelhasser mit atomaren Ambitionen, sondern entsendet seit 1989 auch persönlich seinen Stellvertreter für Europa an die Alster. Über das IZH reicht Teherans langer Arm bis zu iranischen Oppositionellen, die in Hamburg immer wieder Opfer von Übergriffen aus dem Umfeld der Imam-Ali-Moschee werden.
Dennoch hat die SPD das IZH 2012 im Rahmen des Staatsvertrags mit den muslimischen Verbänden offiziell zum politischen Partner aufgewertet. Anfang 2021 haben SPD und Grüne sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, diesen Staatsvertrag zu verlängern. Warum wird iranischer Islamismus in Hamburg offen gefördert?
Das Offensichtliche
Dass man es bei den Islamisten von der Schönen Aussicht 36 mit Propagandisten und Schlägern im Auftrag der islamischen Republik zu tun hat, ist offensichtlich. Wer es wissen will, kann den Aussagen der überschaubaren aber hartnäckigen Gruppe iranischer Oppositioneller, Ex-Muslime und vereinzelter israelsolidarischer Linksradikaler zuhören, die sich regelmäßig auf Kundgebungen und Demonstrationen vor der Moschee versammeln. Mindestens das politische Personal der regierenden rot-grünen Koalition weiß, dass die Khomeinisten von der Schönen Aussicht seit zwei Jahrzehnten mal offen, mal verdeckt den antisemitischen Al-Quds-Marsch in Berlin mitorganisieren und unterstützen. Sie wissen, dass das IZH eine Anlaufstelle für Hisbollah-Anhänger:innen in Hamburg und darüber hinaus ist. Sie wissen, dass die IZH-Leiter nach außen gemäßigt und dialogbereit auftreten, ideologisch aber am Export der islamischen Revolution festhalten. Sie wissen, dass dort Misogynie und Homophobie verbreitet werden. Sie wissen, dass dort jedes Jahr Gedenkveranstaltungen für Ajatollah Chomeini abgehalten werden, oder, wie letztes Jahr, für den Kommandeur der Quds-Einheit und Schlächter Qasem Soleimani.
Trotzdem handelte die Stadt Hamburg zwischen 2006 und 2012, zunächst unter dem CDU-Senat Ole von Beusts, dann unter Olaf Scholz, einen Staatsvertrag mit dem DITIB Landesverband Hamburg, dem Verband der Islamischen Kulturzentren, der alevitischen Gemeinde und der SCHURA – Rat der islamischen Gemeinschaften in Hamburg aus. In der Schura stellt das IZH seit jeher einen von drei Vorsitzenden, entsprechend hat sich der Dachverband wiederholt hinter die Machenschaften um die Imam-Ali-Moschee gestellt. Intention des 2012 vom damaligen Bürgermeister Olaf Scholz unterzeichneten Staatsvertrags war es – ebenso wie zuvor mit christlichen und jüdischen Gemeinden – das Verhältnis zur Stadt Hamburg zu klären. Neben der Regelung praktischer Fragen zu muslimischen Feiertagen, Friedhöfen und islamischem Religionsunterricht sollte so für Integration und friedliches Miteinander geworben sowie innerhalb der Verbände die Abgrenzung gegenüber »Extremisten« gestärkt werden. Dafür suchten sich die Hamburger Regierungen ihre Partner explizit danach aus, wer die meisten und die diversesten Moscheevereine etc. repräsentiert. Gegen die öffentliche Kritik an den islamistischen »Ausrutschern« innerhalb der Partnervereine in der Schura – die es nicht nur beim IZH gibt – verteidigen SPD und Grüne ihren Staatsvertrag dann auch im Namen der Integration:
»Die Ausrichtung des IZH war beim Abschluss der Verträge bekannt. Senat und Bürgerschaft hatten dies mit dem Nutzen schriftlicher Verträge als Grundlage für eine Zusammenarbeit im Sinne der Integration abzuwägen.« Sicher habe es hier und da »Anlass für Kritik und Schwierigkeiten« gegeben, insgesamt habe sich der Vertrag aber doch »bewährt«.
Der Bundesregierung auf der Spur
Hamburg folgt damit in doppelter Weise der Strategie der Bundesregierung. Erstens ist die deutsche Außenpolitik gegenüber dem iranischen Regime opportunistisch. Zugunsten des Iran-Geschäfts deutscher Konzerne hält die Bundesregierung entgegen aller Verstöße am Atomabkommen mit den Mullahs fest und verschließt dabei vor der Brutalität und dem militanten Antisemitismus des Regimes fest die Augen. Die BRD hat sogar – erfolgslos – versucht, die US-Handelssanktionen auszuhebeln. Hamburg ist dabei als Finanzstandort mittendrin: Wie Matthias Küntzel zusammengetragen hat, wurden bis 2011 Milliardensummen für Iranisch-Indische Öldeals über die Europäisch-Iranische Handelsbank im Kontorhausviertel an den Sanktionen der USA vorbeigeschoben – gedeckt von der Bundesfinanzaufsicht. Barack Obama rief gar persönlich bei Angela Merkel an, um ein Ende dieser Sabotage zu fordern. Bis heute spielt die ebenfalls von den Mullahs kontrollierte Niederlassung der Melli Bank am Hamburger Nikolaifleet eine Schlüsselrolle im europäischen Iran-Business. Offenbar hat die Bundesbank ihr noch 2020 ihre Dienste zur Verfügung gestellt, um das Iran-Geschäft deutscher Firmen zu ermöglichen. Durchaus denkbar also, dass die Zurückhaltung der wechselnden Hamburger Senate gegenüber dem IZH auch eine wenig beachtete geopolitische Komponente hat.
Zweitens macht die Stadt Hamburg mit ihrem Staatsvertrag ebenso wie die Bundesregierung konservative Islamverbände für die Integration von Migrant:innen und Nachfahren von Migrant:innen aus islamischen Ländern mitverantwortlich. Am Beispiel des IZH zeigt sich deutlich wie sonst selten, was damit eingekauft wird. Wer um jeden Preis Kontrolle und »Ansprechpartner« will, muss sich selbst die radikalsten Islamisten als irgendwie-auch- Extremismusbekämpfer zurechtbiegen. Angesichts der 2022/23 anstehenden Neuverhandlungen des Staatsvertrags will die Rot-Grüne Regierung ein Eingeständnis des Scheiterns dieser Strategie entgegen aller Kritik vermeiden.
Kritik von liberal bis rechtsextrem
Und diese Kritik fällt leider fast ausschließlich von Seiten der Abgeordneten von AfD, CDU und FDP deutlich aus. Immer wieder fordern vor allem AfD und CDU, Schritte gegen das IZH zu unternehmen: vom Ende der Zusammenarbeit mit dem IZH, über dessen Ausschluss aus der Schura bis hin zum Vereinsverbot, das zuletzt der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Dennis Gladiator ins Spiel brachte. Dass die CDU dabei stets die »Freiheitlich-Demokratische Grundordnung« gegen den »religiösen Extremismus« verteidigen will, um »Spannungen in der Stadt« zu vermeiden, lässt ahnen, dass es hier um konservative Profilbildung und Selbstdarstellung als staatstragende Partei geht. Die AfD indessen, insbesondere ihr rechtsextremer Fraktionsvorsitzender Alexander Wolf, versucht ihre Agitation gegen das IZH als Teil ihres Kulturkampfes gegen die »Islamisierung« zu inszenieren. Einen medialen Erfolg konnte sie im Oktober 2020 verbuchen, als durch eine große Anfrage der AfD in der Bürgerschaft herauskam, dass unter anderem der Islamisches Zentrum Hamburg e.V. laut eigener Auskunft von der Hamburger Steuerverwaltung bis heute als gemeinnütziger Verein anerkannt ist und dadurch erhebliche Steuervorteile genießt.
Die AfD argumentierte, durch die Einstufung des IZH als »extremistisch« durch den Verfassungsschutz sei das nicht nur ein politischer Skandal, sondern schlicht rechtswidrig. Zwar stellte sich Finanzsenator Andreas Dressel demonstrativ vor seine Behörde und behauptete, die Steuerverwaltung entziehe als »extremistisch« eingestuften Vereinen konsequent die Gemeinnützigkeit. Aber die AfD konnte nachsetzen und bekam in einer weiteren Anfrage im November heraus, dass nur wenige Tage nach Veröffentlichung der ersten Anfrage zwei weitere Verfahren zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit wegen Extremismuseinstufung eingeleitet wurden. Gegen wen blieb mit Verweis auf das Steuergeheimnis unerwähnt. Für die AfD ein Coup, sieht es nun doch so aus als habe sie erfolgreich den Finanzsenator vor sich hergetrieben und quasi zum Eingeständnis genötigt, dass »extremistische Vereine« von der Finanzbehörde geduldet werden. Im Namen des Kampfes gegen »Extremismus« zielte die AfD-Anfrage neben dem IZH auf den marxistischen Lesekreis-Verein Marxistische Abendschule (MASCH) e.V., der dann im Januar 2021 bekanntgab, das Finanzamt Nord habe ihm die Gemeinnützigkeit mit Verweis auf den Verfassungsschutz entzogen. Es ist zu vermuten, dass ein Zusammenhang zur Anfrage der AfD besteht.
Dass ein rot-grüner Senat sich von der Extremismus-Rhetorik von Verfassungsschutz und AfD zum Verbot eines linken Vereins drängen lässt – oder es selbst angestrebt hat, ist ein Skandal. Ein weiterer ist es, dass die iranischen Islamisten tatsächlich auch finanziell gefördert werden und der Senat bis heute nicht Stellung dazu bezogen hat. Damit überlässt er ein wichtiges Thema der kultur-rassistischen Agitation der AfD.
Linker Zweckoptimismus
Auch die oppositionelle Hamburger Linksfraktion hat bislang keine Stellung zum IZH bezogen. Sie spricht sich zwar gegen Islamismus aus, wenn es um den IS und Rojava geht. Zu den schiitischen Islamisten in Hamburg schweigt sie aber. Die einzige Ausnahme innerhalb des Landesverbands ist die israelsolidarische Splittergruppe Emanzipatorische Linke.Shalom Hamburg. Die langjährige ehemalige innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Christiane Schneider erklärte im März 2021, welche politischen Prioritäten einer Positionierung zum IZH entgegenstehen: Erstens hätten die Staatsverträge eine Ungleichbehandlung von Muslimen beendet und seien daher Ausdruck von Religionsfreiheit und kultureller Vielfalt. Zweitens sei die multikonfessionelle Schura eine Erfolgsgeschichte, da sie nicht nur mit dem Ziel gegründet wurde, sich zur deutschen Gesellschaft hin zu öffnen, sondern unterdessen tatsächlich ein »Selbstverständnis als islamische Religionsgemeinschaft in einem säkularen, demokratisch verfassten Rechtsstaat« erarbeitet hätte. Drittens hätten sich CDU und FDP mit ihrer Kritik an den islamischen Verbänden leider dem Kurs der AfD angeschlossen, einer eingebildeten Islamisierung den Kulturkampf zu erklären. Demgegenüber müsse DIE LINKE am Staatsvertrag auch mit dem IZH festhalten, denn:
»Die Verträge sind zugleich Grundlage, Konflikte zu thematisieren und zu Klärungen zu kommen. Dass das gelingen kann, zeigt die Tatsache, dass das ›Islamische Zentrum Hamburg‹ (IZH) seine Beteiligung an den höchst problematischen antiisraelischen Demonstrationen am jährlichen Al Quds-Tag nach 2018 beendet hat.«
Dass der Marsch 2020 wegen der Corona-Pandemie glücklicherweise ganz ausfiel; dass 2019 zwar keine iranischen Geistlichen, aber dennoch IZH-Anhänger am Marsch teilnahmen; dass wenn überhaupt, die Angst vor einem Vereinsverbot hier ein Zugeständnis des IZH erzwungen hat – geschenkt. Entscheidend ist der linke Wille, sich durch ein höchstens symbolisches Zugeständnis der IZH-Führung vorgaukeln zu lassen, mit Dialog und Gesprächen könnten aus Bediensteten eines Terror-Regimes doch noch Freunde von Diversität und Völkerverständigung werden. Ob Schneider ihren Dialog-Optimismus wirklich selber glaubt oder schlicht Angst hat, bei inhaltlicher Nähe zur Kritik von rechts und ganz rechts die wahltaktisch wichtige Glaubwürdigkeit in Sachen Anti-Rassismus zu verlieren, ist unklar. Ein Armutszeugnis ist das linke Schweigen in jedem Fall. Es ist ein zwar unspektakulärer, aber fortwährender Verrat an all jenen, die für Freiheit im Iran kämpfen.
Felix Jacob, Juni 2021
Der Autor ist Arbeitsloser ohne Gewissensbisse, Segler und Alsterspaziergänger. Für die Imam-Ali-Moschee schwebt ihm eine Nachnutzung als Stadtteilzentrum mit Freibad vor.