Grüner Schlussstrich

Grüner Schlussstrich

Seit der Prä­sen­ta­tion des Ent­wurfs für den Opern­neu­bau scheint die Kri­tik an den Plä­nen ver­stummt zu sein. Offen­bar über­zeugt die Oper auch durch das Ange­bot eines öffent­li­chen Parks. Unter dem Grün ver­schwin­det jedoch nicht nur die NS-Vergangenheit Kühne + Nagels. Auch sind – wie der soge­nannte »Grüne Bun­ker« zeigt – erheb­li­che Zwei­fel an dem Ver­spre­chen einer Frei­flä­che für alle ange­bracht.

Gut ger­en­dert ist halb gebaut? Der im Novem­ber 2025 vor­ge­stellte Sie­ger­ent­wurf der geplan­ten Oper, © BIG & Yanis Amasri Sierra, Madrid, Spain.

Wer die öffent­li­che Aus­stel­lung im soge­nann­ten Info­cen­ter der Hafen­City Ham­burg GmbH betritt, möchte mei­nen, sich in der Tür geirrt zu haben. Das dor­tige Gru­sel­ka­bi­nett stadt­pla­ne­ri­schen Schei­terns wirkt doch eher wie eine Schau­er­ge­schichte aus dem nicht weit ent­fern­ten Ham­bur­ger Dun­geon. So begrüßt die Aus­stel­lung ihre Besucher:innen mit einem Auf­stel­ler über eine pro­mi­nente Bau­ruine: »Mit 245 Metern wird der Elb­tower der SIGNA Prime Sel­ec­tion AG das höchste Gebäude in Ham­burg«, heißt es dort nach wie vor – obwohl SIGNA längst insol­vent ist und die Turm­bau­pläne schon auf 199 Meter gestutzt wur­den. Rechts davon lobt ein wei­te­rer Auf­stel­ler die »Neu­in­tepre­ta­tion Ham­bur­ger Werte und Kul­tur«, die das West­field Ein­kaufs­zen­trum vor­ge­nom­men hätte. Fei­erte es zwar nach eini­ger Ver­zö­ge­rung im Früh­jahr 2025 seine Eröff­nung, gab es doch reich­lich Kri­tik an dem Bau – nicht nur an sei­nem »gestalterische[n] Stumpf­sinn« (Die ZEIT), son­dern auch und vor allem an den kata­stro­pha­len Arbeits­be­din­gun­gen auf der Bau­stelle, denen min­des­tens sechs Arbei­ter zum Opfer fielen.

Nun zeigt das Info­cen­ter die Ent­würfe des Archi­tek­tur­wett­be­werbs für die Oper, die auf dem nahe­ge­le­ge­nen Baa­ken­höft ent­ste­hen soll. Und es wäre zu hof­fen, dass die­ses Pro­jekt sich bald in das Gru­sel­ka­bi­nett stadt­pla­ne­ri­schen Schei­terns ein­reiht, idea­li­ter gar nicht erst gebaut wird. Seit der umju­bel­ten Prä­sen­ta­tion des Sie­ger­ent­wurfs scheint das jedoch in weite Ferne gerückt zu sein. Die zuvor noch laut­stark zu ver­neh­mende Kri­tik an der Oper ist nahezu ver­stummt. Weder waren auf der Pres­se­kon­fe­renz am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag kri­ti­sche Fra­gen zu hören, noch über­wog in der anschlie­ßen­den Bericht­erstat­tung der Zwei­fel daran, ob Ham­burg eine neue Oper braucht. Und – wird letz­te­res bejaht – ob sie an dem vor­ge­se­he­nen Ort errich­tet und dann auch noch von Klaus-Michael Kühne bezie­hungs­weise von des­sen Stif­tung finan­ziert wer­den sollte.

Karte aus dem Jahr 1912 (Aus­schnitt): Mar­kiert sind rechts der Schup­pen 25, oben der Han­no­ver­sche Bahn­hof und unten links der Baa­ken­höft, auf dem heute die Oper gebaut wer­den soll. 

Neben dem unde­mo­kra­ti­schen Ver­ständ­nis einer Stadt­pla­nung im Hin­ter­zim­mer und der kolo­nia­len Ver­gan­gen­heit des Ortes, an dem die Oper gebaut wer­den soll, war ins­be­son­dere die nicht­auf­ge­ar­bei­tete Geschichte Kühne + Nagels ins Blick­feld der Debatte um die Opern­pläne gera­ten. Nach­weis­lich hatte das Logis­tik­un­ter­neh­men im Natio­nal­so­zia­lis­mus von der Ver­fol­gung der euro­päi­schen Jüdin­nen und Juden pro­fi­tiert. Teile des von Kühne + Nagel trans­por­tier­ten Raub­guts wur­den sogar im Schup­pen 25 zwi­schen­ge­la­gert, der sich sei­ner­zeit in unmit­tel­ba­rer Nähe zum Baa­ken­höft befand. All das scheint nun ver­ges­sen: In sei­nem Kom­men­tar für den Nord­deut­schen Rund­funk etwa bewer­tet der Thea­ter­kri­ti­ker Peter Hel­ling den Ent­wurf als »Game­ch­an­ger«. Hätte er die Opern­pläne bis­lang auf­grund der NS-Verstrickungen von Küh­nes Vater abge­lehnt, sei er nun trotz »Bauch­schmer­zen« von dem Ent­wurf – »ein gebau­tes Bekennt­nis zu Demo­kra­tie und Tole­ranz« – über­zeugt. Im Ver­lauf der wei­te­ren Pla­nung müsse nur der »Umgang gro­ßer Ham­bur­ger Mäzene und Stif­tun­gen mit ihrer NS-Vergangenheit« debat­tiert werden.

Das Versprechen – ein öffentlicher Park

Auch ins­ge­samt waren die Reak­tio­nen sei­tens Presse und Poli­tik auf den mit gro­ßem Auf­wand visua­li­sier­ten Opern­haus­ent­wurf gera­dezu über­schwäng­lich. Jedoch stand dabei gar nicht so sehr das Gebäude selbst als viel­mehr das geplante Grün drum­herum im Mit­tel­punkt. Auf der Pres­se­kon­fe­renz etwa beton­ten sowohl Peter Tsch­ent­scher und Cars­ten Brosda als auch ein Ver­tre­ter der Kühne-Stiftung, dass um und auf der Oper ein Park als öffent­li­cher Frei­raum ent­stünde. Andreas Kleinau, Vor­sit­zen­der der Geschäfts­füh­rung der Hafen­City Ham­burg GmbH, ver­wies dar­auf, dass die Park­an­lage nicht nur für alle begeh- und erleb­bar sein, son­dern dass sie auch einen Bei­trag zur Bio­di­ver­si­tät leis­ten werde. Katha­rina Fege­bank mel­dete sich auf Insta­gram zu Wort: »So frisch, so grün!« Auch sie sprach von »Nach­hal­tig­keit und Bio­di­ver­si­tät« sowie einer »Ein­la­dung […] an alle Menschen«. 

Fast wie in Kam­pen – der öffent­li­che Park »für alle« scheint vor allem Zweit­haus­be­sit­zer anspre­chen zu wol­len, © BIG & Yanis Amasri Sierra, Madrid, Spain.

Diese Reak­tio­nen zeu­gen natür­lich zunächst ein­mal vor allem von der Sug­ges­tiv­kraft, die von der Hoch­glan­z­äs­the­tik des hyper­rea­lis­ti­schen Ren­de­rings aus­geht. Aber tat­säch­lich ver­schwin­det in dem gefäl­li­gen Ent­wurf des Archi­tek­ten Bjarke Ingels das eigent­li­che Opern­haus hin­ter einem Park, der eine nord­deut­sche Küs­ten­land­schaft imi­tiert. Auf einem sich um das Gebäude herum schwin­gen­den Pfad wür­den die Besucher:innen empor­stei­gen sowie Ein- und Aus­bli­cke erle­ben kön­nen, Ter­ras­sen mit Sitz­ge­le­gen­hei­ten sol­len zum Ver­wei­len ein­la­den. Die Oper wäre damit ein Ort für alle Hamburger:innen, wie es nahezu ein­stim­mig vom Archi­tek­ten sowie von Presse und Poli­tik zu hören ist.

Falsche Versprechen – von grünen Bunkern und Opernhäusern

Unter dem Grün des Parks ver­schwin­det jedoch nicht nur das Opern­haus, son­dern auch die gerecht­fer­tigte Kri­tik an dem Bau. Im wahrs­ten Sinne des Wor­tes scheint nun Gras – und Strand­ha­fer – über die NS-Vergangenheit Kühne + Nagels sowie die Kolo­ni­al­ge­schichte des Ortes zu wach­sen: Keine Geschichts­spur, kein Mahn­mal stört die all­seits betonte »Har­mo­nie« des Ent­wurfs. Im von Fege­bank so eupho­risch begrüß­ten ›fri­schen Grün‹ sol­len keine Erin­ne­run­gen an Ver­gan­ge­nes wach wer­den. Weder daran, dass von hier vor gut 120 Jah­ren die Kolo­ni­al­trup­pen zum Völ­ker­mord in Deutsch-Südwestafrika auf­bra­chen, noch daran, dass nur rund 500 Meter Luft­li­nie ent­fernt der ehe­ma­lige Han­no­ver­sche Bahn­hof liegt, von dem unter ande­rem auch Adolf und Käthe Maass depor­tiert wurden.

Erstaun­lich ist jedoch auch, dass das mit Verve vor­ge­tra­gene Ver­spre­chen eines öffent­li­chen Parks bis­lang nicht auf eine gehö­rige Por­tion Skep­sis gesto­ßen ist. Schließ­lich erin­nert der Opern­ent­wurf an den soge­nann­ten »Grü­nen Bun­ker« an der Feld­straße, der seit ver­gan­ge­nem Som­mer das Gru­sel­ka­bi­nett stadt­pla­ne­ri­schen Schei­terns erweitert.

Auch der Bun­ker war einst, um das Jahr 2015, als öffent­li­cher Park ver­spro­chen wor­den, von einem »Gar­ten vie­ler« und sogar einer »völ­lig neuen Stadt­na­tur« war sei­ner­zeit die Rede. Nun führt zwar in der Tat – ähn­lich zum Opern­ent­wurf – ein zumin­dest leicht begrün­ter Pfad um den Bun­ker herum und an des­sen Ende war­tet auch ein Dach­gar­ten auf die Besucher:innen. Ein öffent­li­cher Park ist dort jedoch nicht ent­stan­den: Nicht nur fin­den sich wenige Sitz­ge­le­gen­hei­ten, die tat­säch­lich zum Ver­wei­len ein­la­den, wie es eben­falls ver­spro­chen wor­den war, auch sind mit­ge­brachte Getränke und Spei­sen ver­bo­ten, sodass der Weg recht bald wie­der nach unten füh­ren muss. Die Macher:innen des Bun­kers hat­ten diese Ver­bote damit begrün­det, dass die Besucher:innen zu viel Müll hin­ter­lie­ßen, doch hin­gen die Ver­bots­schil­der spä­tes­tens am Tag nach der Eröff­nung am Ein­gang. Letz­te­rer war­tet wie­derum mit mar­tia­li­schen Toren auf, die von einem Sicher­heits­dienst bewacht wer­den – der Zutritt ist stark begrenzt, häu­fig bil­den sich lange Schlan­gen. Und auch die üppige Vege­ta­tion, wie sie auf ers­ten Visua­li­sie­run­gen des »Grü­nen Bun­kers« und bal­di­gen Pla­nungs­ent­wür­fen zu sehen war, ist noch nicht in der ver­spro­che­nen Form gewachsen.

Zur Marke gemacht – der »Grüne Bun­ker« im Som­mer 2024, Foto: privat.

Vie­les, was ansäs­sige Initia­ti­ven am »Grü­nen Bun­ker« bereits um das Jahr 2015 kri­ti­siert hat­ten, bewahr­hei­tete sich also. Dazu gehört nicht zuletzt die Kri­tik an der wei­te­ren Gen­tri­fi­zie­rung des Vier­tels sowie der Auf­wer­tung des Gebäu­des über des­sen Begrü­nung. Von dem weni­gen Gestrüpp auf dem nach wie vor wei­test­ge­hend grauen Bun­ker pro­fi­tie­ren heute weni­ger die Anwohner:innen als viel­mehr der Inves­tor, der die im Inne­ren des Bun­kers und durch den Auf­bau deut­lich erwei­ter­ten Flä­chen ver­mie­tet und vermarktet.

Wer profitiert?

Wer pro­fi­tiert also von einer begrün­ten Oper? Die Natur, wie es von­sei­ten der Hafen­City GmbH oder auch von Fege­bank zu hören ist, wohl nur bedingt: Ginge es tat­säch­lich um Bio­di­ver­si­tät, bedürfte es ande­rer land­schafts­ge­stal­te­ri­scher Initia­ti­ven. Mit dem soge­nann­ten »Platin-Standard des Hafen­city Umwelt­zei­chen« wurde übri­gens auch das Beto­n­un­ge­tüm Elb­tower zer­ti­fi­ziert. Ob die Stadt­ge­sell­schaft tat­säch­lich eine neue Frei­flä­che erhält, wie es von allen Betei­lig­ten mit Nach­druck betont wird, ist mit Blick auf den »Grü­nen Bun­ker« zumin­dest frag­wür­dig: Wird man wirk­lich dort, wie es ein öffent­li­cher Park ermög­li­chen sollte, mit einem mit­ge­brach­ten Getränk die Aus­sicht genie­ßen kön­nen? Skep­sis ist zumin­dest angebracht.

Die Stadt hofft nicht nur auf einen kos­ten­güns­ti­gen Opern­neu­bau, der gerne als »Geschenk« Küh­nes bezeich­net wird, son­dern ver­spricht sich von dem auf­se­hen­er­re­gen­den Ent­wurf auch, Ham­burg als Kul­tur­stadt in der Welt bekannt zu machen, wie es etwa Peter Tsch­ent­scher bei der Pres­se­kon­fe­renz aus­drückte. Dabei spie­len sowohl spek­ta­ku­läre Bau­ten – mitt­ler­weile wird mit Bezug auf das von Frank Gehry gestal­tete Guggenheim-Museum auch vom Bilbao-Effekt gespro­chen – als etwa auch große Kultur- und Sport­events wie die Olym­pi­schen Spiele eine zen­trale Rolle in der seit eini­gen Jahr­zehn­ten zu beob­ach­ten­den glo­ba­len Kon­kur­renz der Metro­po­len um Human- und Finanzkapital.

Ob das wohl Strand­kie­fern­holz ist? Modell des Sie­ger­ent­wurfs der geplan­ten Kühne-Oper, Foto: pri­vat.

Das Ver­spre­chen des öffent­li­chen Parks und damit einer Frei­flä­che für alle dient inso­fern auch dazu, der lau­ten Kri­tik an der Kühne-Oper eine posi­tive Vision ent­ge­gen­zu­set­zen. Das begrünte Dach ver­mag – wie beim Bun­ker – ein Vehi­kel zu sein, der Stadt­ge­sell­schaft ein unbe­lieb­tes Pro­jekt schmack­haft zu machen. Damit hatte der Ent­wurf des Opern­hau­ses offen­sicht­lich bereits Erfolg. Das Pro­blem ist nur: Hier geht es nicht allein um die Inter­es­sen von Investor:innen, son­dern auch um erin­ne­rungs­kul­tu­relle Fra­gen und den Umgang der Stadt mit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­gan­gen­heit ansäs­si­ger Fir­men und ihrer Inhaber:innen.

Kein grüner Schlussstrich

Wer es ein­mal trotz lan­ger Schla­gen und Ein­lass­kon­trol­len auf den »Grü­nen Bun­ker« schafft und von dort aus gen Süd­os­ten schaut, könnte bei gutem Wet­ter und mit einem Fern­glas bewaff­net womög­lich Teile des Baa­ken­höfts sehen. Zwi­schen dem Ort der pro­jek­tier­ten Oper und dem grün­grauen Dach­gar­ten lie­gen wie­derum die Gro­ßen Wall­an­la­gen – mitt­ler­weile ein Teil von Plan­ten un Blo­men. Sie las­sen sich auch ganz ohne Fern­glas vom Bun­ker­dach beob­ach­ten. Die­ser tat­säch­lich öffent­li­che Park wurde nach dem Zwei­ten Welt­krieg aus nicht wei­ter ver­wert­ba­ren Trüm­mern der zer­bomb­ten Stadt model­liert. Wie an vie­len Orten die­ser und wei­te­rer deut­scher Groß­städte ent­stan­den aus Schutt­mas­sen öffent­li­che Grün­flä­chen. In den Augen der sei­ner­zei­ti­gen Pla­ner waren die aus den Trüm­mern wach­sen­den Pflan­zen nicht nur ein Zei­chen der Hoff­nung, son­dern auch eine Mög­lich­keit des Ver­ges­sens. Unter Bäu­men, Sträu­chern und Grä­sern ver­schwand so man­ches, was an Schuld und Krieg erin­nerte. Einen wei­te­ren grü­nen Schluss­strich soll­ten wir nicht zulassen.

Johan­nes Rad­c­zinski, Novem­ber 2025

Der Autor emp­fiehlt eine (Re-)Lektüre des im ver­gan­ge­nen Som­mer auf Untie­fen erschie­ne­nen Arti­kels über den soge­nann­ten »Grü­nen Bun­ker« und weist auf die Peti­tion gegen die geplante Oper hin.

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