Veranstaltung: Weltbilder der Kunst – Solidarität

Veranstaltung: Weltbilder der Kunst – Solidarität

Eine Ver­an­stal­tungs­reihe der Innen­re­vi­sion Kul­tur­be­trieb fragt nach anti­se­mi­ti­schen Welt­bil­dern in gegen­wär­ti­gen Kunst­dis­kur­sen. Die zweite Ver­an­stal­tung fin­det am 20.09.2023, 19.30 Uhr im Cen­tral Con­gress statt.

Nach­dem im Sep­tem­ber 2022 zwei Ver­tre­ter des indo­ne­si­schen Documenta-Kuratorenkollektivs Ruan­grupa eine Gast­pro­fes­sur an der Ham­bur­ger HfbK antra­ten, ist die Aus­ein­an­der­set­zung über die von Ruan­grupa ver­ant­wor­tete anti­se­mi­ti­sche Kunst­schau auch zu einem Streit in Ham­burg gewor­den. Zwar gab es ver­dienst­volle, aber ver­ein­zelte Pro­teste, zurück­hal­tende Ermah­nun­gen aus der Lan­des­po­li­tik sowie einige wenig ergie­bige Inter­views und Ver­an­stal­tun­gen mit den Ruangrupa-Leuten. Ins­ge­samt aber ist von Betrof­fen­heit oder gar (Selbst-)Kritik inner­halb des Ham­bur­ger Kunst- und Kul­tur­be­triebs wenig zu ver­neh­men. Der HfbK-Präseident Köt­te­ring lügt die von ihm initi­ierte Gast­pro­fes­sur rück­bli­ckend zum Aus­lö­ser wich­ti­ger »Lern­pro­zesse« um, gar zum Beginn eines »Dia­logs«: »Zum ande­ren ist durch die bei­den DAAD-Gastprofessoren das Thema Anti­se­mi­tis­mus im Kunst­feld nach Ham­burg getra­gen wor­den, wor­auf wir mit vie­len Ver­an­stal­tun­gen reagiert haben, vor allem mit dem Sym­po­sium. Damit ist es uns seit der docu­menta erst­ma­lig gelun­gen, sehr diver­gente Posi­tio­nen zusam­men und in einen Dia­log zu brin­gen«. Auf die Frage, ob er die Ein­la­dung wie­der aus­spre­chen würde, ant­wor­tete er ent­spre­chend: »Das kann ich wirk­lich mit aller Deut­lich­keit und sehr klar sagen: Ja, unbe­dingt! Denn es ist die Auf­gabe und Pflicht von wis­sen­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen, sich die­sen kom­ple­xen und schwie­ri­gen Dis­kur­sen zu stel­len, um Lern­pro­zesse ent­ste­hen zu las­sen.« Anti­se­mi­tis­mus geht in der Kunst­welt also wei­ter­hin in Ord­nung, so lange man dabei das Gefühl hat, mit irgend­wem im Dia­log zu sein. Woher kommt diese Uner­schüt­ter­lich­keit – auch und gerade jen­seits des offen­sicht­lich unver­bes­ser­li­chen Ruangrupa-Kollektivs?

Um dem auf den Grund zu gehen hat sich in Ham­burg eine „Innen­re­vi­sion Kul­tur­be­trieb“ gegrün­det. In ihr haben sich in Kunst und Kul­tur Tätige zusam­men­ge­schlos­sen, die mit einer Ver­an­stal­tungs­reihe in das beredte Ham­bur­ger Schwei­gen inter­ve­nie­ren wol­len. Die Reihe unter­sucht anhand dreier für den gegen­wär­ti­gen Kunst­be­trieb zen­tra­ler Begriffe – Kol­lek­ti­vi­tät, Wider­stand und Soli­da­ri­tät – über wel­che Ein­falls­tore sich anti­se­mi­ti­sche Welt­bil­der im Kunst­dis­kurs immer wie­der ver­brei­ten können.

Die Reihe wird am 20.09. mit einer Ver­an­stal­tung zu „Kol­lek­ti­vi­tät“ fort­ge­setzt: 19.30 Uhr im Cen­tral Con­gress, Stein­straße 5–7.

Die Redak­tion Untie­fen unter­stützt diese Inter­ven­tion (wie auch der Bag­rut e.V., die Untüch­ti­gen sowie der Textem-Verlag) und doku­men­tiert im Fol­gen­den den Ankün­di­gungs­text der Veranstaltung.

Wei­tere Infor­ma­tio­nen wer­den zu gege­be­ner Zeit hier auf Untie­fen und auf dem Insta­gra­m­ac­count der Innen­re­vi­sion Kul­tur­be­trieb veröffentlicht.


Zahl­rei­che anti­se­mi­ti­sche Dar­stel­lun­gen auf der Docu­menta 15 haben einen seit Jah­ren schwe­len­den Kon­flikt in die breite Öffent­lich­keit geholt – und alt­be­kannte Front­bil­dun­gen ver­schärft. Mitt­ler­weile kann ohne Über­trei­bung von einem Kul­tur­kampf gespro­chen wer­den. Gestrit­ten wird über eine ver­meint­li­che Kon­kur­renz zwi­schen der Erin­ne­rung an die Shoah und der Erin­ne­rung an deut­sche Kolo­ni­al­ver­bre­chen. Gestrit­ten wird nicht zuletzt auch über das jewei­lige Ver­hält­nis zu Israel. Spä­tes­tens durch die Beru­fung zweier Mit­glie­der des Künst­ler­kol­lek­tivs Ruan­grupa an die HFBK ist dies auch ein Ham­bur­ger Streit. Gerade im Kunst­feld wird er vehe­ment geführt. Das lässt die Frage auf­kom­men, ob zen­trale Begriffe in der aktu­el­len Selbst­be­schrei­bung künst­le­ri­scher Pra­xis nicht selbst ideo­lo­gi­sche Ele­mente ent­hal­ten, die gewollt oder unge­wollt anti­se­mi­ti­sche Welt­bil­der repro­du­zie­ren. Anhand der Begriffe Kol­lek­ti­vi­tät, Soli­da­ri­tät und Wider­stand stel­len sich die Gäste unse­rer drei­tei­li­gen Ver­an­stal­tungs­reihe die­ser wich­ti­gen, aber in der bis­he­ri­gen Debatte ver­nach­läs­sig­ten Frage.

Zwei­ter Teil: Soli­da­ri­tät
20. Sep­tem­ber 2023 – 19:30 Uhr
Cen­tral Congress

Kol­lek­ti­ves Arbei­ten hat sich im Kunst­feld eta­bliert. Eine sei­ner Grund­la­gen ist der Ruf nach Soli­da­ri­tät. Die Geschichte die­ses Rufes ist geprägt von poli­ti­schen Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gun­gen, erlebte aber immer wie­der auch ideo­lo­gi­schen Miss­brauch. Der Ruf nach Soli­da­ri­tät kann instru­men­tel­len Cha­rak­ter anneh­men, gerade weil er oft­mals im Namen der „Ande­ren“ spricht. So defi­niert Soli­da­ri­tät eben nicht nur die eigene Gruppenzugehörigkeit.

Gerade im indi­vi­dua­lis­ti­schen Kunst­feld sind Erzäh­lun­gen von kol­lek­ti­ver Soli­da­ri­tät beson­ders attrak­tiv. Das dor­tige Selbst­ver­ständ­nis, an der Seite von Mar­gi­na­li­sier­ten und Unter­drück­ten zu ste­hen, begüns­tigt die Vor­stel­lung von einer manich­ä­isch in gut und böse auf­ge­teil­ten Welt. Diese stark ver­ein­fachte Welt­sicht ist für Anti­se­mi­tis­mus beson­ders anschluss­fä­hig. In Tei­len des post­ko­lo­nia­len Dis­kur­ses wer­den Jüdin­nen und Juden als pri­vi­le­giert ange­se­hen. Als Opfer dür­fen sie nur in der Ver­gan­gen­heit in Erschei­nung tre­ten. Nicht zuletzt die im Kunst­feld stark affir­mierte BDS-Bewegung pro­pa­giert eine Form der Soli­da­ri­tät, die Gewalt und Chau­vi­nis­mus igno­riert, solange sie von der ver­meint­lich rich­ti­gen Seite ausgehen.

Bei der zwei­ten Ver­an­stal­tung der Reihe „Welt­bil­der der zeit­ge­nös­si­schen Kunst“ dis­ku­tie­ren unsere Gäste über die Ein- und Aus­schlüsse von Soli­da­ri­täts­ap­pel­len und ihren mit­un­ter selbst­re­fe­ren­ti­el­len Cha­rak­ter. Sie spre­chen über die Attrak­ti­vi­tät des Soli­da­ri­täts­be­griffs für das Kunst­feld, über die Unmög­lich­keit, den Ruf nach Soli­da­ri­tät von Ambi­va­len­zen frei zu hal­ten und über einige klas­si­sche Ste­reo­type anti­se­mi­ti­scher Propaganda.

Es dis­ku­tie­ren:

- Vol­ker Weiß (His­to­ri­ker & Autor, Hamburg)

- Shahrzad Eden Osterer (Autorin & Jour­na­lis­tin, München)

- Petja Dimit­rova (Akti­vis­tin & Künst­le­rin, Wien)

mit einem Video-Input von Julia Bern­stein (Sozio­lo­gin & Mit­glied im Begleit­gre­mium der Docu­menta 15)

mode­riert von Fabian Bechtle & Leon Kahane (Künst­ler, Forum demo­kra­ti­sche Kul­tur und zeit­ge­nös­si­sche Kunst)

Eine Ver­an­stal­tung von: FORUM DEMOCRATIC CULTURE CONTEMPORARY ART & Innen­re­vi­sion Kul­tur­be­trieb
Geför­dert von: Bun­des­zen­trale für poli­ti­sche Bil­dung
Unter­stützt von: bag­rut e.V. & Die Untüch­ti­gen & Stadt­ma­ga­zin Untie­fen & Tex­tem Verlag

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Allgemein

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert