Gegen rechtsextreme Vereinnahmungsversuche – Solidarität mit empower
Im Oktober 2024 veröffentlichten wir anlässlich des Jahrestages des Massakers der Hamas im Süden Israels eine Chronik antisemitischer Vorfälle in Hamburg im zurückliegenden Jahr. Wir kritisierten u.a. die bisherige Datenerhebung in Hamburg. Die AfD versucht dies für ihre rechtsextreme Agenda zu instrumentalisieren.
Am 8. Oktober 2024 veröffentlichten wir anlässlich des vorangegangenen Jahrestages des Massakers der Hamas im Süden Israels gemeinsam mit dem Bildungsverein Bagrut e.V. eine Chronik antisemitischer Vorfälle in Hamburg im Jahr danach.
Darin kritisierten wir unter anderem, dass es, anders als in anderen Bundesländern, in Hamburg keine öffentliche Dokumentation antisemitischer Vorfälle gibt. Die öffentlich geförderte digitale Hinweis- und Meldestelle memo und ihren bisherigen[1] Träger, die Beratungsstelle empower, kritisierten wir dafür, dass sie bis 2024 die Fallzahlen für rechte, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe nur zusammengefasst veröffentlichten. Außerdem bemängelten wir, dass die von der Meldestelle sowie von anderen, städtischen Institutionen bislang veröffentlichten Daten kaum Hinweise auf die Qualität und die Umstände antisemitischer Gewalt in Wort und Tat in Hamburg sowie auf mögliche ideologische Motivationen der Täter:innen geben.
Unserer Kritik liegen die von uns recherchierten Daten sowie die Wahrnehmung von Betroffenen zugrunde, denen zu Folge der öffentliche Umgang mit Antisemitismus auch in Hamburg selektiv ist. Insbesondere im Umgang mit selbsterklärt »pro-palästinensisch«, also nationalistisch und/oder antiimperialistisch gerechtfertigten Taten entziehen sich Hochschulen, Kulturinstitutionen oder politische Gruppen oft klarer Stellungnahmen, anstatt Antisemitismus klar zu benennen und die Stimmen der Betroffenen, von Hamburger Jüdinnen und Juden, ernst zu nehmen. Im Gespräch sagte uns im Oktober 2024 Rebecca Vaneeva, Präsidentin des Verbands jüdischer Studierender Nord: »Es gibt einen verbreiteten Selbstbetrug über die Komplexität des Phänomens Antisemitismus. Rechtsextremer Antisemitismus wird zum Glück weitgehend verurteilt. Es handelt sich aber auch um ein muslimisches und ein linkes Phänomen.«
Daher forderten wir eine systematischere Erhebung und ein entsprechendes institutionalisiertes Monitoring zur weiteren Aufklärung des Dunkelfeldes und der Hintergründe antisemitischer Gewalt in der Hamburger Gesellschaft heute – mit allen Herausforderungen und Konflikten, in der ganzen Widersprüchlichkeit und Vielschichtigkeit. Es braucht hier mehr Wissen, nicht weniger.
Unsere Kritik druckte auch die taz in einem kurzen Bericht zu unserer Chronik ab. Unter Bezug auf diesen Artikel versuchte die Bürgerschaftsfraktion der AfD Anfang Dezember in einem Antrag zum Doppelhaushalt 2024/2025 unsere Chronik zu instrumentalisieren.
Unter Verweis u.a. darauf, dass »selbst Autoren des linken Magazins Untiefen« die Erhebungspraxis von memo »kritisch« sähen, beantragte die AfD-Fraktion, dem bisherigen Träger der Meldestelle, der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt empower, im neuen Haushalt jegliche Mittel zu streichen. Empower wird im Antrag als »Fake-Beratungsstelle« und »Propagandazentrale« bezeichnet. Zusätzlich forderte die AfD, Zuwendungen unter anderem an die VVN-BdA, den CJD oder die Falken im neuen Haushalt zu streichen. Sämtliche Anträge der AfD zum Haushalt wurden – wie zu erwarten – in den Haushaltsberatungen vom 16. bis 18. Dezember 2024 von den demokratischen Fraktionen der Bürgerschaft abgelehnt.
Die Agenda hinter diesen Anträgen der AfD-Bürgerschaftsfraktion ist klar: Es geht um die Mobilisierung autoritärer Affekte und um rassistische und xenophobe Stigmatisierung ganzer Gruppen der deutschen Bevölkerung. Suggeriert wird durch die AfD ein Bild angeblicher »links-grüner« Korruption und Klientelwirtschaft bis hin zu einer Förderung vorgeblich verdeckter »linksextremistischer« Strukturen. Zudem soll der Eindruck entstehen, Gewalttaten von Asylbewerber:innen und Muslimen würden grundsätzlich verharmlost und unter den Teppich gekehrt, während sie in Wahrheit in dieser Stadt das größte Sicherheitsproblem darstellten. Demgegenüber möchte sich die AfD als Kämpferin gegen Korruption und als Anwältin der »öffentlichen Sicherheit« inszenieren.
Entgegen ihrer eigenen Inszenierung hat sich die Hamburger AfD nicht damit hervorgetan, die Informationslage bezüglich Vorfällen menschenfeindlicher Gewalt zu verbessern. Wie wir in unserer Chronik hervorheben, waren es Angehörige anderer Oppositionsfraktionen (Linkspartei und CDU), die maßgeblich dazu beigetragen haben, der Hamburger Öffentlichkeit ein besseres Bild zu verschaffen. Und während die AfD in ihrem Antrag zwar behauptet, sie unterstütze den Kampf gegen jegliche politisch motivierte Gewalt, zeigen die konkreten Forderungen, dass sie die Erfassung von Gewalttaten der (extremen) Rechten – inklusive des dort kultivierten Judenhass – am liebsten ganz einstellen will. Gleiches gilt für Ausstiegsberatung aus der rechten Szene und weitere Angebote, insbesondere der Opferberatung.
Wir widersprechen dem rechtsextremen Versuch, unsere Arbeit zu vereinnahmen, aufs Schärfste. Die AfD ist unter der Kritik. Wir solidarisieren uns mit allen in den Anträgen angegriffenen Vereinen und Einrichtungen, vor allem mit der Opferberatung empower sowie der Meldestelle memo. Ihre Arbeit sollte ausgebaut, verbessert und zugänglicher gemacht werden, nicht zusammengestrichen.
Redaktion Untiefen & Bagrut e.V. Hamburg, Januar 2025
[1] Laut der Website von memo befindet sich die Hinweisstelle seit dem 1. Januar 2025 in Trägerschaft der Lawaetz-Stiftung.